24. Januar 2023

Darüber sprechen ist wichtig

Zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 27. Januar

Kernen-Stetten/Grafeneck, 24. Januar 2023 – Insgesamt 336 Menschen mit Behinderung wurden während der NS-Zeit mit den sogenannten „grauen Bussen“ aus der damaligen Anstalt Stetten abgeholt und in den Tötungsanstalten Grafeneck und Hadamar ermordet. Für die Diakonie Stetten ist das Gedenken an die Opfer der Euthanasie ein ständiger Begleiter. Daneben engagieren sich inzwischen Menschen mit Behinderungen für die Aufklärung über das Thema. In Führungen und Referaten erzählen sie über die grausamen Geschehnisse.

Iris Linge nahm vor einigen Jahren erstmals an einer Fortbildung für Menschen mit Behinderungen der Remstal Werkstätten teil, um sich über die Euthanasie-Verbrechen und die Gedenkstätte Grafeneck zu informieren. Die Fortbildung und die Kooperation der Diakonie Stetten mit der Gedenkstätte Grafeneck zog nach und nach weite Kreise: So ist in den vergangenen Jahren z. B. Unterrichtsmaterial in einfacher Sprache zu den nationalsozialistischen Verbrechen in Grafeneck entstanden und Menschen mit Behinderungen referierten mit bei Veranstaltungen, wie z. B. bei der Sonderausstellung „T4“ im Stadtmuseum in Schorndorf im Jahr 2021. „Ich möchte andere Menschen über dieses traurige Thema informieren. Damals wurde die Hälfte der Menschen aus Stetten nach Grafeneck gebracht und ermordet. Sie sind direkt in die Gaskammer gelaufen, weil sie dachten das wäre eine Dusche“, erzählt Iris Linge, die in den Remstal Werkstätten arbeitet. Die 65-Jährige hat zusammen mit ihrem Kollegen Simon Brög bereits mehrfach in der Ludwig Schlaich Akademie bei angehenden Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspflegern über die Zeit des Nationalsozialismus referiert und bei Führungen am Stein des Gedenkens in Stetten als Mitreferentin teilgenommen. Auch bei der Sonderausstellung im Stadtmuseum in Schorndorf war sie als Assistentin dabei. „Ich möchte das gerne noch eine Weile machen und freue mich darauf, einmal eine Besuchergruppe in die Gedenkstätte nach Grafeneck zu begleiten. Ich finde es sehr wichtig, über die Geschichte zu sprechen“, so Iris Linge.

Auch Jürgen Paulus interessiert sich seit Jahren für die nationalsozialistischen Verbrechen. Er hat eine ganze Sammlung an Zeitungsartikeln zum Thema zusammengestellt. „Man muss in die Gedenkstätte nach Grafeneck gehen, sonst kann man nicht glauben, dass hier Menschen wirklich vergast wurden. Man kann das alles gar nicht begreifen, wenn man es nicht selbst gesehen hat“, sagt der 62-Jährige, der ebenfalls in den Remstal Werkstätten arbeitet. Es ist ihm ein großes Anliegen, dass „den Menschen vermittelt wird, was passiert ist und über die Wahrheit gesprochen wird, denn die Menschen damals wurden angelogen“. Jürgen Paulus gibt deshalb regelmäßig den Praktikantinnen und Praktikanten in den Remstal Werkstätten sein Wissen weiter und stellt bei Führungen und Veranstaltungen seine gesammelten Zeitungsartikel aus.

Pfarrer Rainer Hinzen, Vorstandsvorsitzender der Diakonie Stetten, begrüßt die Kooperation mit der Gedenkstätte Grafeneck und das Engagement der Mitarbeitenden aus den Remstal Werkstätten: „Es ist von großer Bedeutung, dass die Erinnerung über die Zeit des Nationalsozialismus wachgehalten wird und dass auch Menschen mit Behinderungen über diese furchtbaren Geschehnisse aufgeklärt werden und inzwischen auch selbst aufklären“. In Zusammenarbeit mit der Gedenkstätte sei inzwischen viel Wertvolles entstanden und er sei gespannt, was sich noch weiter an Projekten ergeben könnte. Dem pflichtet auch Kathrin Bauer von der Gedenkstätte Grafeneck bei: „Ein Grundsatz unserer Arbeit an der Gedenkstätte Grafeneck ist es, den Ort und seine Geschichte barrierearm zugänglich zu machen. Das spiegelt sich auch in einer Vielzahl von Kooperationsprojekten mit der Diakonie Stetten wider. Besonders schön ist, dass sich eine Gruppe von Expertinnen und Experten, Mitarbeitende der Remstal Werkstätten, gebildet hat, die ihr Erleben des Ortes und ihre Erfahrungen im Umgang mit der Geschichte als Co-Referentinnen und Referenten weitergeben können. Diese enge Vernetzung ist Ausdruck jahrelanger guter und gegenseitig wertschätzender Zusammenarbeit, die sich auch in der Zukunft fortsetzen soll“.

Sammlung zum Karfreitag 2024

Diakonie und Evangelische Landeskirche in Württemberg rufen zu Spenden für „Hoffnung für Osteuropa“ am Karfreitag auf. Mit dieser Aktion unterstützen die Diakonie und Landeskirche in Württemberg die humanitäre Hilfen und Soziale Arbeit ihrer langjährigen Partner in insgesamt zehn Ländern.