Armut

Auch wenn unser Bundesland eines der reichsten ist: Die Armutsrisikoquote in Baden-Württemberg ist mit 16,4 Prozent (Zahlen aus der Amtlichen Sozialberichterstattung, 2021) fast genauso hoch wie im gesamten Bundesgebiet. In Baden-Württemberg leben mehr als 1,8 Millionen Menschen unter der Armutsrisikoschwelle. Diese Zahl ist seit 2017 um mehr als 100.000 Personen angestiegen. Die Hauptursache für Armut ist Arbeitslosigkeit. Das Armutsrisiko von Erwerbslosen in Baden-Württemberg liegt bei 44,7 Prozent und steigt mit der Dauer der Arbeitslosigkeit auf über 70 Prozent an (Statistisches Landesamt Baden-Württemberg, 2022).

Das höchste Armutsrisiko liegt bei Alleinerziehenden (44,6 Prozent) und bei kinderreichen Familien (drei und mehr Kinder: 31,8 Prozent). Kinderarmut und die Armut der Jugendlichen ist ein drängendes Problem, weil in diesem Lebensabschnitt häufig Armutsbiographien vorgeprägt werden. Das Armutsrisiko der über 65-Jährigen in Baden-Württemberg (19,7 Prozent) steigt schneller als das der anderen Altersgruppen. Altersarmut ist eine Sackgasse ohne Wendemöglichkeit. Deshalb ist das Diakonische Werk Württemberg Mitbegründer und aktives Mitglied des Bündnisses gegen Altersarmut.

Die Sorge um Menschen, die nicht genug für ein Leben in Würde haben, wird die Diakonie weiterhin begleiten. Unsere 38 Vesperkirchen in Baden-Württemberg und auch die Diakonieläden und Tafeln sind wichtige Angebote, ebenso wie der landeskrichliche Fonds gegen Energiearmut. Die Beraterinnen und Berater suchen mit Menschen in Armut nach Chancen und halten sich an das biblische Wort: „Weigere dich nicht, dem Bedürftigen Gutes zu tun, wenn deine Hand es vermag.“ (Sprüche Salomos 3, 27)

Die Diakonie Württemberg fordert eine andere Berechnung des Existenzminimums und mehr Beratungsangebote. Nachhaltige Veränderungen der Lebenssituation sind meist nur mit aufwendiger Beratung und intensiver sozialpädagogischer Begleitung möglich.

Die Diakonie Württemberg unterstützt vor Ort in den rund 50 Diakonischen Bezirksstellen durch psychosoziale Beratung und finanzielle Hilfen.

Positionspapier Armutsaktivitäten (PDF) 


Hartz IV: Was bietet der Regelsatz für ein menschenwürdiges Leben?

Mit Hartz IV hat jeder das, was er zum Leben braucht – sagte Jens Spahn, nachdem er 2018 Gesundheitsminister geworden war. Als eine Betroffene ihn zusammen mit tausenden anderen über eine Petition aufforderte, sich einmal einen Monat lang auf dieses Niveau zu beschränken, mochte er den Beweis doch nicht antreten.

Hartz IV deckt nicht einmal grundlegende Bedürfnisse wie angemessenes Wohnen und gesundes Essen ab, sagt die Diakonie. Zu einem menschenwürdigen Leben gehört darüber hinaus auch die Möglichkeit, aktiv an der Gesellschaft teilzunehmen, was die Regelleistungen ebenfalls nicht gewährleisten können.

Die Regelsätze sind zu niedrig und müssten nach den Berechnungen der Diakonie je nach Alter der Leistungsberechtigten bis zu 150 Euro höher sein. Es darf nicht sein, dass die Menschen zu einer Lebensmitteltafel gehen müssen, weil das Geld nicht mehr für ein ausgewogenes Essen langt. Tatsächlich versorgen gegenwärtig aber ca. 1.000 Tafelläden in Deutschland ca. 1,5 Millionen Menschen.

Regelleistungen

Fakten zum Leben in Armut in Deutschland

Der Eck-Regelsatz und was er enthält

Eck-Regelsatz für eine alleinstehende erwachsene Person beträgt seit 1.1.2019 genau 424 Euro

Im monatlichen Regelsatz sind enthalten:

  • 147,81 Euro für Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke = 4,86 Euro/Tag
  • 40,66 Euro für Freizeit, Unterhaltung und Kultur
  • 37,91 Euro für Nachrichtenübermittlung
  • 37,61 Euro für Wohnen, Energie, Wohnungsinstandhaltung
  • 37,14 Euro für Bekleidung und Schuhe
  • 35,32 Euro für Verkehr
  • 33,62 Euro für andere Waren und Dienstleistungen
  • 26,12 Euro für Innenausstattung, Haushalt und Haushaltsgeräte
  • 16,11 Euro für Gesundheitspflege
  • 10,56 Euro für Beherbergungs- und Gaststättendienstleistungen
  • 1,10 Euro für Bildung

Was bedeutet das im Alltag?

Was bedeutet das im Alltag?

In Deutschland leben über 7,8 Millionen Menschen von sozialen Mindestsicherungsleistungen (SGB II,SGB XII, AsylBewLG), in Baden-Württemberg sind davon 645.134 Menschen betroffen. Aktuell (Dezember 2018) gibt es in Baden-Württemberg 441.018 Leistungsberechtigte nach dem SGB II. - Ihr Leben ist geprägt von finanziellen Notlagen und materiellen Entbehrungen. Kinder sind vom Mittagessen in der Schule und von Freizeitangeboten ausgeschlossen. Ihnen fehlt notwendiges Schulmaterial. Kranke können Zuzahlungen und Medikamente nicht finanzieren. Eltern können eine defekte Waschmaschine nicht ersetzen oder ein Kinderfahrrad nicht bezahlen. Damit diese soziale Ausgrenzung ein Ende hat, geht es nicht allein um einen höheren Regelsatz. Es geht vielmehr darum, dass die vorgelagerten Leistungen und politischen Maßnahmen so ausgebaut werden, dass der Grundsicherungsbezug generell vermieden wird. Dazu gehört ein ausreichender Mindestlohn, der Schutz tariflicher Beschäftigung, ein besserer Familienlastenausgleich für Alleinerziehende und eine eigenständige und einheitliche Geldleistung für alle Kinder und Jugendlichen.

Was ist im Regelsatz nicht enthalten?

Was ist im Regelsatz nicht enthalten?

  • Zimmerpflanzen
  • Haustiere
  • Gartenpflege
  • Weihnachtsbaum
  • Handy
  • Taschen
  • Regenschirme
  • Adventsschmuck
  • Speiseeis im Sommer
  • Nutzung eines KfZ auf dem Lande
  • Nicht in der Krankenversicherung erstattungsfähige Gesundheitskosten
  • Billiger Modeschmuck
  • Babysitter bei Schichtdienst
  • Kabelfernsehen
  • Fotografien
  • Campinggeräte
  • Haftpflichtversicherung
  • Malstifte für Kinder in der Freizeit
  • Nicht vom Bildungs- und Teilhabepaket gedeckte Schulbedarfe
  • Zusatzgebühren in der Kita
  • Eine Flasche Wein und zwei Schachteln Zigaretten im Monat
  • Girokonto für Jugendliche
  • Kleidung für Familienfeste

Sind alle Hartz IV-Empfänger arbeitslos?

Sind alle Hartz IV-Empfänger arbeitslos?

Von den über 5,7 Millionen (Dezember 2018) Hartz-IV-Beziehenden sind 1,4 Millionen arbeitslos gemeldet. Die anderen sind:

  • 1,6 Millionen nicht erwerbsfähige Leistungsberechtigte, i.d.R. Kinder
  • Alleinerziehende – 40 Prozent leben mit Hartz IV
  • eine Million prekär Beschäftigte.

Muss in Deutschland jemand hungern?

Muss in Deutschland jemand hungern?

EU-Bürgern, die zur Arbeitssuche nach Deutschland kommen, stehen in den ersten fünf Jahren ihres Aufenthaltes keine Sozialleistungen zu.

Einen stark reduzierten Anspruch auf Sozialleistungen haben sanktionierte Hartz-IV-Empfänger. Wenn sie Termine, Trainingsmaßnahmen oder Bewerbungsvorgaben des Jobcenters nicht einhalten, wird die Leistung gekürzt oder ganz gestrichen.

Aber die Hartz-IV-Regelsätze sind auch grundsätzlich zu niedrig. Nach Berechnungen der Diakonie wurden unsachgemäß – je nach Bedarfsgemeinschaft - Lebenshaltungskosten in Höhe von bis zu 150 Euro in der statistischen Vergleichsgruppe für Haushalte mit Niedrigsteinkommen herausgerechnet.

Der Staat nimmt also in Kauf, dass diese Menschen betteln, hungern und obdachlos werden.

Wie viele Menschen gehen regelmäßig zur Tafel?

Wie viele Menschen gehen regelmäßig zur Tafel?

Die deutschen Tafeln unterstützen regelmäßig bis zu 1,5 Millionen bedürftige Personen, davon sind:

  • 23 Prozent Kinder und Jugendliche
  • 53 Prozent Erwachsene im erwerbsfähigen Alter (vor allem ALG-II- bzw. Sozialgeld-Empfänger, Spätaussiedler und Migranten),
  • 23 Prozent Rentner
  • 19 Prozent Alleinerziehende

Bewertungen der Sanktionen nach dem SGB II/Hartz IV

Sachstand

Mitwirkungspflichten

Mitwirkungspflichten

Empfängerinnen und Empfänger von Leistungen nach dem SGB II haben sogenannte Mitwirkungspflichten, die in der Regel im Eingliederungsvertrag festgehalten sind. Diesen müssen sie mit dem Jobcenter schließen. Das bedeutet, dass sie jede zumutbare Arbeit annehmen oder an einer zumutbaren Eingliederungsmaßnahme teilnehmen müssen. Verstoßen sie gegen eine dieser Pflichten (§ 31 SGB II), mindert sich das ALG II um zunächst 30 Prozent, bei einem zweiten Verstoß um 60 Prozent und bei einer dritten Pflichtverletzung entfällt die Unterstützungsleistung vollständig. Lediglich bei einem Meldeversäumnis fällt die Leistungskürzung mit 10 Prozent geringer aus. Für Erwerbslose unter 25 Jahren sind die Regelungen noch strenger. Auf Antrag können bei einer Kürzung um mehr als 30 Prozent Sachleistungen erbracht werden (§31a SGB II).

Zahl der Sanktionen

Zahl der Sanktionen

In den vergangenen Jahren wurden bundesweit regelmäßig 900.000 bis 1 Million Sanktionen jährlich ausgesprochen. Zahlen liegen für den Juni 2019 vor: Im Verlauf des zurückliegenden Jahres wurden 878.766 Sanktionen gegen 392.587 erwerbsfähige Leistungsbezieher (ELB) ausgesprochen und im Erhebungsmonat betrug die Zahl der sanktionierten Personen 124.350.

In Baden-Württemberg betrug die Zahl im Juni 2019 der sanktionierten ELB 7.860 und die durchschnittliche Leistungskürzung machte 20,8 Prozent oder 123,20 Euro aus. Die Zahl der sanktionierten ELB unter 25 Jahren (U 25) betrug 1.586, hier belief sich die durchschnittliche Leistungskürzung auf 32,2 Prozent oder 152,08 Euro. Hier schlagen sich die strengeren Sanktionsregeln für diese Altersgruppe nieder.

In der Jahressumme wurden in Baden-Württemberg 55.542 Sanktionen gegen 28.303 ELB ausgesprochen, davon 38.166 (69 Prozent) allein wegen Meldeversäumnissen. Von diesen Sanktionen waren direkt 3.716 Personen, davon 2.131 (57 Prozent) Arbeitslose betroffen.

Das bedeutet, dass fast die Hälfte der Sanktionen gegen Personen ausgesprochen werden, die dem Arbeitsmarkt gar nicht zur Verfügung stehen, die entweder arbeiten oder Angehörige pflegen.

Gegenüber einer Gesamtzahl von 299.129 ELB (Juni 2019) bestehen 11.631 Sanktionen gegen 7.860 ELB. Damit beträgt die Sanktionsquote in Baden-Württemberg 2,6 Prozent und liegt etwas niedriger als 3,2 % im Bundesdurchschnitt. Von der Gesamtzahl der ELB sind nur 99.992 auch arbeitslose ELB, von denen 4.393 oder 4,4 Prozent sanktioniert werden.

Bewertung

Nur Hälfte der Sanktionen gegen Arbeitslose

Nur Hälfte der Sanktionen gegen Arbeitslose

Nur gut die Hälfte der Sanktionen richten sich tatsächlich gegen Arbeitslose, können also gar nicht durch Pflichtverletzungen gegen die Integrationsbemühungen der Jobcenter verursacht werden. Wir wissen, dass ca. ein Viertel aller Hartz-IV-Beziehenden arbeiten, aber wegen ihres geringen Einkommens auf die Unterstützung angewiesen sind. Wir wissen auch, dass ca. ein Fünftel aller Hartz-IV-Beziehenden seit zehn Jahren im Leistungsbezug stehen. Viele dieser Menschen erwarten von den Bemühungen und den Terminen der Jobcenter keine Hilfe mehr.

Hohe Sanktionsquote spricht für strukturelle Probleme

Hohe Sanktionsquote spricht für strukturelle Probleme

Die Sanktionsquote, der Anteil der erwerbsfähigen Leistungsbezieher (ELB), deren Anspruch auf Arbeitslosengeld II (ALG II) gekürzt wird, mag mit 3,2 % im Bundesdurchschnitt relativ niedrig erscheinen. Dennoch ist die Gesamtzahl der Sanktionen im Jahresverlauf auch in Baden-Württemberg mit fast rund 56.000 gegen über 28.000 Leistungsbeziehenden so hoch, dass es sich aller Wahrscheinlichkeit nach nicht um persönliches Versagen und Fehlverhalten der betroffenen Personen handelt, sondern eher um strukturelle Probleme des Gesetzes SGB II und seiner Umsetzung. Fast 70 Prozent der Sanktionen werden in Baden-Württemberg (bundesweit sogar 77 %) allein deswegen ausgesprochen, weil die Erwerbslosen nicht zu den vereinbarten Terminen erscheinen. Das legt die Vermutung nahe, dass dafür eher Kommunikationsprobleme als böse Absicht die Ursache sind. Hier wäre der Vergleich mit anderen Institutionen interessant, die ihren Publikumsverkehr ebenfalls über Terminvereinbarungen regeln.

Mehrfache Sanktionierung belegt Wirkungslosigkeit

Mehrfache Sanktionierung belegt Wirkungslosigkeit

Die Zahl der Sanktionen ist im Jahresverlauf fast doppelt so hoch wie die Zahl der Sanktionierten. Das macht deutlich, dass viele Betroffene mehrfach sanktioniert werden. Wenn das Ziel der Sanktionen sein soll, dass die Arbeitslosen ihren sogenannten Mitwirkungspflichten besser nachkommen, dann belegen gerade diese Fälle die Wirkungslosigkeit der Sanktionen.

Persönliche Beratung sinnvoller

Persönliche Beratung sinnvoller

Eine intensive persönliche Beratung und Unterstützung wäre erfolgversprechender, aber dazu sind die Jobcenter aufgrund der bestehenden Personalschlüssel oft nicht in der Lage.

Eine einmal ausgesprochene Sanktion kann in der Regel nicht zurückgenommen werden, auch wenn die betroffene Person ihr Verhalten im Sinne des Jobcenters ändert. An diesem Punkt ist der Strafvollzug der Justiz humaner als der der Arbeitsverwaltung.

Gesamtbewertung der Sanktionen

Gesamtbewertung der Sanktionen

Die Diakonie hält die Sanktionen des SGB II weitgehend für wirkungslos, vor allem aber für inhuman. Die Diakonie hat – wie auch die anderen Wohlfahrtsverbände - immer wieder darauf hingewiesen, dass die Regelsätze des SGB II grundsätzlich zu niedrig sind und dem Gesetzesauftrag, ein menschenwürdiges Leben zu gewährleisten, nicht gerecht werden. Das mit den Regelleistungen vom Gesetzgeber festgelegte soziokulturelle Existenzminimum durch Sanktionen zusätzlich abzusenken und im Extremfall ganz zu versagen, widerspricht nach Ansicht der Diakonie dem Grundgesetz. Die von den erwerbsfähigen Leistungsberechtigten eingeforderte Mitwirkung und Eigenverantwortung kann nur durch eine positive und befähigende Unterstützung bewirkt werden. Den Pflichten der Leistungsberechtigten müssen dann auch Rechte auf Unterstützung und letztlich auch ein Recht auf Arbeit gegenüber stehen. Diesem Anspruch ist die Politik und die Grundsicherung für Arbeitslose in ihrer bisherigen Geschichte noch nie gerecht geworden.

Betroffene von Sanktionen

Sanktion gegen chronisch kranken Ehemann

Sanktion gegen chronisch kranken Ehemann

Die Mutter zweier kleiner Kinder (2 und 5 Jahre) ist in eine Beratungsstelle der Diakonie in Württemberg gekommen, weil sie von einer Sanktion ihres Ehemannes mit betroffen ist. Das Geld reicht deswegen kaum noch für das Nötigste – warme Mahlzeiten für die Kinder, Winterkleidung und Schuhe für die Kinder, Fahrtkosten zu den Ärzten für Ehemann und Kinder, die alle drei wegen chronischer Erkrankungen häufig zu Fachärzten müssen. So kommt es, dass die Frau in der Beratungsstelle um Lebensmittelgutscheine bittet, auch bekommt sie gespendete Kinderkleidung.

An manchen Tagen ist der Ehemann gesundheitlich so eingeschränkt, dass er nicht aus dem Haus kann. So kamen Meldeversäumnisse zustande und diese zogen Sanktionen nach sich. Obwohl die Beraterin der Frau erläuterte, dass sie sich wegen der Erkrankung ihres Mannes gegen die Sanktionen wehren können und die Beraterin sie dabei unterstütze, hat diese den Ehemann nicht dazu bewegen können, Widerspruch einzureichen. Er ist körperlich und seelisch zu erschöpft, die Frau kann nicht anstelle ihres Mannes handeln.

Da die Familie in einem kleinen Ort wohnt und kein Auto hat, müssen die Ärzte mit öffentlichen Verkehrsmitteln aufgesucht werden. Der ALG-II-Satz ist für diese zusätzlichen Kosten zu knapp bemessen. Bei einer Sanktion eines Familienmitgliedes wird es aber dann so knapp, dass wichtige Dinge wie der Strom nicht mehr gezahlt werden können und eine Abschaltung droht.

Die Beraterin sagt: „Der Sinn einer Sanktion, nämlich dass der Vater in die Lage versetzt wird, durch eigene Arbeit seine Familie zu ernähren, wird nicht erreicht. Hierfür wäre eine Unterstützung nötig, die bewirkt, dass er seine gesundheitlichen Probleme überwinden kann. Eine Sanktion verschärft die gesundheitliche Problematik von Vater und Kindern.“

Kosten für die Unterkunft eingestellt

Kosten für die Unterkunft eingestellt

Große Aufregung bei Familie Müller (Name geändert). Der Ehemann und Vater ist psychisch krank und will nicht in Therapie. Er hat auch seine Termine am Job-Center nicht wahrgenommen, es fehlte ihm die Kraft dazu. Es folgte die Einstellung der Leistungen für ihn – Regelsatz und Anteil an den Kosten der Unterkunft. Das bedeutete, dass die Frau aus den Regelsätzen für sich und die Kinder den Rest zur Miete draufzahlen musste. Nach dem Widerspruch mit Hilfe des Beraters der Diakonie wurde der Anteil an den Kosten für die Unterkunft für den Mann wieder gewährt.

Sprachliche Barrieren führen zu Missverständnis

Sprachliche Barrieren führen zu Missverständnis

Die 21-jährige irakische Kurdin spricht nur sehr gebrochen deutsch und kann Amtsschreiben kaum lesen und so gut wie nicht verstehen. Sie hat in ihrem Umfeld niemanden, der die Briefe in ihren kurdischen Dialekt übersetzen kann.
Sie erhält vom Jobcenter eine Einladung mit zwei Terminen am selben Tag. Sie erscheint zum ersten Termin und geht beruhigt nach Hause. Wenige Tage später erhält sie eine Sanktion, weil sie zum zweiten Termin nicht erschienen ist.
Mit viel Zufall findet sie den Weg zur Beratung. Nach Ablehnung des Widerspruchs kommt es im Gerichtsverfahren zu einem Anerkenntnis des Jobcenters, mit dem die Sanktion zurückgezogen wird. Seitdem hat sie große Angst, Briefe des Jobcenters zu öffnen und manchmal tut sie's nicht mehr.

Von der Situation überrollt

Von der Situation überrollt

Das junge Ehepaar lebt mit zwei Kleinkindern von Hartz IV. Wegen nur rudimentärer Schulbildung können sie Bescheide und Amtsschreiben nicht verstehen. Der Mann ist zudem psychisch beeinträchtigt und in seinem inneren Durcheinander kaum in der Lage, bei einer Sache zu bleiben und Vorhaben zielgerichtet zu verfolgen. Er kümmert sich aber verlässlich und voller Hingabe um die beiden Kinder.

Er reagiert nicht auf Terminvorladungen. Das Jobcenter schickt ihm über ein Jahr hinweg im Wochentakt neue Termine und Sanktionen. Beide Ehepartner erkennen nicht, dass der Mann 15 Monate lang zu 100 Prozent sanktioniert ist und merken nur, dass kein Geld da ist. Sie können zunächst die Stromraten und später auch die Gasabschläge nicht mehr bezahlen. Nach Rückständen von 2.000 Euro wird der Gaszähler ausgebaut. Insbesondere wegen der Kleinkinder heizen sie den Winter über mit geliehenen elektrischen Heizlüftern. Es kommt zu einer Nachforderung für Strom von ca. 3.000 Euro. Eine Geldstrafe wegen Lebensmitteldiebstahls lässt dann die ganze Familienökonomie zusammenbrechen und wegen Mietrückständen erfolgt auch die Wohnungskündigung.


Nachdem die beiden endlich den Weg zur Beratung gefunden haben, werden mit dem Jobcenter eine Vielzahl von Fehlern korrigiert und die ungerechtfertigte Sanktionierung über 15 Monate rückgängig gemacht. Mit einer Nachzahlung von 12.000 Euro kann die wirtschaftliche Lage der Familie wieder ins Lot gebracht werden.

Aus Angst in Not geraten

Aus Angst in Not geraten

Einer alleinerziehenden schwangeren Mutter mit einem zwei jährigen Kind wurden die Leistungen gänzlich versagt aufgrund von fehlender Mitwirkung. Diese bezog sich darauf, dass die Frau den Namen des gewalttätigen, verheirateten Vaters ihres ungeborenen Kindes noch nicht mitteilen wollte, um abzuwägen, wie gefährlich diese Situation für sie werden könnte.

Handlungsunfähig aus Zwang

Handlungsunfähig aus Zwang

Eine alleinerziehende polnische Mutter mit vier Kindern wurden die Hartz-IV-Leistungen komplett eingestellt aufgrund fehlender Mitwirkung. Ihr letztes Kind war innerhalb der Ehe geboren und somit rechtlich das Kind des Noch-Ehemanns, dieser hatte jedoch weder dem Namen auf der Geburtsurkunde zugestimmt, noch sonst mitgearbeitet. Daher konnte sie trotz mehrerer Aufforderungen von Seiten des Jobcenters keine Geburtsurkunde mit Vornamen liefern. Vermutlich hatten auch noch andere Papiere gefehlt, die sie aufgrund mangelnder Sprachkenntnisse nicht beigebracht hat. So wurden die Leistungen einfach eingestellt.