Geschichte erfahren in leichter Sprache

Im Rahmen der Bildung und Qualifizierung bieten die Remstal Werkstätten der Diakonie Stetten regelmäßig Fortbildungen für Menschen mit Behinderungen an. Erstmals fand eine Fortbildung zum Thema „Menschen zur Nazi-Zeit, Widerstand gestern und Zivilcourage heute“ in Kooperation mit dem Stadtjugendring Stuttgart im Forum 3 statt. Dabei informierten sich zehn Menschen mit Behinderungen über die Vergangenheit und nahmen an einer Stadtführung in leichter Sprache teil.

Aufmerksam und interessiert sitzen die zehn Teilnehmenden mit Behinderungen im Forum 3 in Stuttgart zusammen und hören gemeinsam mit Christa Rommel, Referentin für Bildung und Qualifizierung in den Remstal Werkstätten der Diakonie Stetten, Marc Fischer vom Stadtjugendring Stuttgart zu. An diesem Tag geht es um Menschen während der Zeit des Nationalsozialismus und die Teilnehmenden wollen mehr über Widerstand in dieser Zeit sowie Zivilcourage in der heutigen Zeit erfahren. Anhand verschiedener Kurzfilme erklärt Marc Fischer in leichter Sprache, was Zivilcourage bedeutet und wie man anderen Menschen helfen kann, ohne sich dabei selbst in Gefahr zu bringen. Daneben beschäftigt sich die Gruppe mit Menschen, die im Dritten Reich Widerstand leisteten. „Eugen Bolz war ein Politiker und beteiligte sich später am Widerstand gegen den Nationalsozialismus. Wir werden uns nachher noch das Eugen-Bolz-Denkmal in der Stadt anschauen“, sagt Marc Fischer.

Bereits in 2016 fand in der Diakonie Stetten erstmals eine Fortbildung zum Thema Euthanasie-Verbrechen und Gedenkstätte Grafeneck für Menschen mit Behinderungen in einfacher Sprache statt. „Die Teilnehmenden waren so interessiert an der ersten Fortbildung, dass wir uns entschieden haben, eine weitere Fortbildung zur Nazi-Zeit in Kooperation mit dem Stadtjugendring anzubieten“, berichtet Christa Rommel. Marc Fischer, der selbst eine hochgradige Sehbehinderung hat, entwickelte in den vergangenen zwei Jahren eine barrierefreie Stadtführung für Menschen mit Behinderungen in leichter Sprache. „Es ist wichtig, dass jeder Mensch, der sich für Geschichte interessiert, an Angeboten partizipieren kann. Deshalb haben wir die Stadterkundung in einfacher Sprache entwickelt, denn wir haben einen Bildungsauftrag“, sagt Marc Fischer.

Annemarie Eberhard arbeitet in den Remstal Werkstätten und nimmt an der Fortbildung teil, weil sie mehr über die Zeit, in der ihre Eltern jung waren, erfahren will: „Meine Eltern sind im Krieg aufgewachsen und mein Vater hat oft vom Krieg erzählt. Er hat sich immer über die Leute aufgeregt, die über das Essen schimpfen und gesagt, dass wir heute im Luxus leben“, erzählt die Frau mit Behinderungen. Auch Jürgen Paulus interessiert sich für die Geschichte des Dritten Reiches und nahm bereits an der Fortbildung zu den Euthanasie-Verbrechen teil. Besonders beeindruckt ist der Mann mit Behinderung „von den Gebäuden, die auch heute noch stehen“ und „die Hinweistafeln an den Gebäuden“ findet er „wichtig“. So gehört zur Fortbildung an diesem Tag auch eine Führung durch die Stadt. Die Gruppe schaut sich das Eugen-Bolz-Denkmal, die ehemalige Gestapo Hauptzentrale oder die Ahnengalerie der Bürgermeister an. „Wenn man weiß, wie der Nationalsozialismus entstanden ist, kann man sich überlegen, was man selbst tun kann, damit so etwas nicht wieder passiert“, erklärt Christa Rommel.

Bei einem anschließenden Rollenspiel in zwei kleinen Gruppen erfahren die Teilnehmenden, wie sie für andere einstehen können, ohne sich dabei selbst zu gefährden. „Mir ist wichtig, dass die Teilnehmende nicht nur zuhören, sondern selbst aktiv werden und dadurch erfahren, wie man handeln kann oder darüber nachdenken, wie ein Mahnmal auf einen selbst wirkt“, sagt Marc Fischer. Für Brigitte Tesche hat sich die Fortbildung gelohnt, denn sie hat auf anschauliche Weise an diesem Tag noch mehr Einblick in die Zeit des Zweiten Weltkrieges bekommen. „Wir haben damals in der Schule schon über die Nazi-Zeit gesprochen, aber das ist schon lange her. Jetzt weiß ich wieder mehr, worum es damals ging.“




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