01. Dezember 2016 Pressemitteilung

Die Arbeitslosigkeit verändert sich kaum, doch die Zahl der Hartz-IV-Empfänger ist um über 20.000 Menschen gestiegen

Die Übergänge in Arbeit werden weniger und verhelfen seltener zu existenzsichernden Einkommen

Zumeldung zur Meldung der Agentur für Arbeit zu den Arbeitslosenzahlen im November 2016

Stuttgart, 1. Dezember 2016. Die Agentur für Arbeit unterstreicht die positive Arbeitslosenquote gegenüber anderen Bundesländern. Das Diakonische Werk Württemberg legt den Blick auf Zahlen, die die Probleme des Arbeitsmarkts in Baden-Württemberg zeigen.

Die Zahl der Arbeitslosen ist im November um 1.203 Personen oder 0,6 % gesunken. Gegenüber dem Vorjahresmonat ist sie um 226 Personen niedriger ausgefallen. Der Rückgang ist angesichts der Gesamtzahl von 216.025 Arbeitslosen gering. Der Abbau der Arbeitslosigkeit kommt nicht voran, die Arbeitslosenzahlen bleiben praktisch stabil. Die positive Entwicklung der Beschäftigtenzahlen flacht sich seit drei Monaten deutlich ab. Die Beschäftigtenzahlen steigen langsamer: Wurden im Juli noch über 100.000 Stellen mehr als im Vorjahr gezählt, so sind es jetzt nur noch 71.900. Vor allem aber wirkt sich dieser Anstieg nicht auf die Arbeitslosenzahlen aus: 71.900 mehr Beschäftigte, aber nur 226 weniger Arbeitslose sind eine ernüchternde Bilanz.

Die Diakonie Württemberg weist wiederholt darauf hin, dass sich eine positive Arbeitsmarktentwicklung fast nur bei den Kurzzeitarbeitslosen – SGB III – feststellen lässt, während bei den Langzeitarbeitslosen – SGB II – kaum positive Veränderungen zu erkennen sind. Im Rechtskreis des SGB II ist die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vormonat um 560 Personen gesunken, während sie im Rechtskreis des SGB III um 643 gesunken ist, wobei die Ausgangszahl der Arbeitslosen im SGB II sehr viel höher ist als im SGB III.

Der Anteil der Hartz-IV-Empfänger an den Arbeitslosen beträgt derzeit 58,0 %. Die absolute Zahl ist gegenüber dem Vormonat zwar um 560 Personen gesunken, bewegt sich jedoch insgesamt weniger als die Gesamtarbeitslosigkeit und vor allem die Beschäftigtenzahlen. Die Zahl der Menschen, die von Hartz-IV-Leistungen leben – Arbeitslose im Rechtskreis SGB II und ihre Angehörigen – ist im Jahresverlauf entgegen dieser positiven Entwicklung deutlich um 20.487 auf 441.202 Menschen gestiegen. Allein die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten ist innerhalb eines Jahres um 14.796 auf 316.859 Personen gestiegen. Scheinbar gelingt es den Menschen selbst bei Aufnahme einer Arbeit nicht, sich aus der Hilfebedürftigkeit zu befreien.

Die Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit zeigt sich vor allem an der durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit für Langzeitarbeitslose, die im SGB-II-Bereich jetzt bei 577 Tagen liegt.

  • Die Gesamtzahl der Beschäftigten (September 2016) ist gegenüber dem Vorjahr um 71.900 (plus 1,6 Prozent) auf 4.504.300 Personen gestiegen. Die Arbeitsmarktentwicklung ist positiv, scheint jedoch abzuflachen. Sie geht an den Arbeitslosen (- 226) vorbei. Ein Bericht des Statistischen Landesamtes zeigt, dass die Zunahme der Beschäftigtenzahl auch darauf zurückzuführen ist, dass die durchschnittliche Arbeitszeit pro Beschäftigtem gesunken ist. Es arbeiten mehr Menschen in Teilzeitarbeitsverhältnissen.
  • Der relative Anteil der Hartz-IV-Bezieher (SGB II) ist gegenüber dem Vormonat um 0,1 % auf 58,0 % gestiegen. Die absolute Zahl der SGB-II-Arbeitslosen beträgt 125.311 und ist im Oktober um 560 Personen oder 0,4 %, gegenüber dem Vorjahresmonat um 524 Personen oder 0,4 % gesunken. Diese Veränderung ist einem Stillstand gleichzusetzen.
  • 65.855 Personen oder 30,5 % aller Arbeitslosen sind länger als ein Jahr arbeitslos. Das sind 635 Personen gegenüber dem letzten Monat und 3.960 Personen gegenüber dem Vorjahresmonat weniger.
  • Betroffen von Langzeitarbeitslosigkeit sind vor allem Arbeitslosengeld-II-Bezieher. Sie sind an der Arbeitslosigkeit mit 58,0 %, an der Langzeitarbeitslosigkeit jedoch mit 84,9 % beteiligt.
  • Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit beträgt 577 Tage für SGB-II-Arbeitslose – zwei Tage weniger als im Vormonat und sechs Tage weniger gegenüber dem Vorjahresmonat. Die Dauer der Arbeitslosigkeit im SGB III beträgt durchschnittlich 176 Tage und ist gegenüber dem Vorjahresmonat sogar um 9 Tage gesunken.
  • Der Bericht der Arbeitsagentur weist aus, dass zwar im Oktober 64.937 Personen ihre Arbeitslosigkeit beendeten, davon jedoch nur 19.530 Personen aus der Arbeitslosigkeit in eine Erwerbstätigkeit übergehen. Das sind 2.000 Personen weniger als im Vormonat.
  • Nur 16,6 % derjenigen, die aus dem SGB II heraus ihre Arbeitslosigkeit beendeten, konnten eine Erwerbstätigkeit beginnen. Von den SGB-III-Empfängern, die aus der Arbeitslosigkeit abgingen, waren das immerhin 42,7 %.
  • Der Bestand an offenen Stellen beträgt 95.121, womit auf jede gemeldete offene Stelle immer noch ungefähr 2,3 Arbeitslose kommen.
  • Die Zahl der Beschäftigung schaffenden Maßnahmen hat sich gegenüber dem Vormonat leicht um 66 und gegenüber dem Vorjahresmonat um 24 auf jetzt 4.417 Plätze erhöht. Angesichts der Gesamtzahl von 65.855 Langzeitarbeitslosen ist das vollkommen ungenügend.

Die positive wirtschaftliche Entwicklung ist zu nutzen, um diesen Menschen durch eine qualifizierte öffentlich geförderte Beschäftigung die Teilhabe an Arbeit zu ermöglichen und eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Statt aktive Arbeitsmarktpolitik zu betreiben, wird inzwischen für die Verwaltung der Arbeitslosigkeit mehr als doppelt so viel ausgegeben wie für Unterstützungs- und Eingliederungsmaßnahmen. Dabei werden laut Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (KB 4/2016) nur noch 14 % aller Stellenbesetzungen über die Agenturen für Arbeit abgewickelt. Was die Agenturen und Jobcenter als ihr Kerngeschäft reklamieren, findet weitestgehend ohne sie statt.

Die beiden Wissenschaftler Prof. Dr. Matthias Knuth und Prof. Dr. Claus Reis fordern eine Neuausrichtung des SGB II. Sie betonen, dass das Leitbild des Forderns und der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik gegen das einer befähigenden Arbeitsmarktpolitik getauscht werden muss, die nicht an den Defiziten und Vermittlungshemmnissen, sondern an der Lebenssituation und den Fähigkeiten der Menschen ansetzt, die auf Teilhabe an Arbeit und an der Gesellschaft ausgerichtet ist. Es zeigt sich immer deutlicher, dass Langzeitarbeitslose und ihre Familien ohne öffentlich geförderte Beschäftigung keine Chance mehr zur Teilhabe und zur Integration in Arbeit bekommen. Die Diakonie Württemberg fordert dies seit langem und hat mit dem Passiv-Aktiv-Transfers ein realistisches Finanzierungskonzept vorgelegt, während die Bundesregierung trotz positiver wirtschaftlicher Rahmenbedingungen die Möglichkeit zu Handeln verpasst.

Weitere Hinweise unter:
http://www.initiative-pro-arbeit.de/   
http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/   

Das Diakonische Werk Württemberg 
Das Diakonische Werk Württemberg mit Sitz in Stuttgart ist ein selbstständiges Werk und der soziale Dienst der Evangelischen Landeskirche und der Freikirchen. Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes unterstützt der Wohlfahrtsverband im Auftrag des Staates hilfebedürftige Menschen. Das griechische Wort „Diakonia“ bedeutet „Dienst“. Die Diakonie in Württemberg ist ein Dachverband für 1.200 Einrichtungen mit 40.000 hauptamtlichen und 35.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie begleiten Kinder, Jugendliche und Familien, Menschen mit Behinderungen, alte und pflegebedürftige Menschen, Arbeitslose, Wohnungslose, Überschuldete und andere Arme, Suchtkranke, Migranten und Flüchtlinge sowie Mädchen und Frauen in Not. Täglich erreicht die württembergische Diakonie über 200.000 Menschen. Das Diakonische Werk Württemberg ist ebenfalls Landesstelle der Internationalen Diakonie, Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Hoffnung für Osteuropa.


Sammlung zum Karfreitag 2024

Diakonie und Evangelische Landeskirche in Württemberg rufen zu Spenden für „Hoffnung für Osteuropa“ am Karfreitag auf. Mit dieser Aktion unterstützen die Diakonie und Landeskirche in Württemberg die humanitäre Hilfen und Soziale Arbeit ihrer langjährigen Partner in insgesamt zehn Ländern.