30. Juni 2016 Pressemitteilung

Abbau der Arbeitslosigkeit kommt nicht voran

Durchschnittlich sind Langzeitarbeitslose 572 Tage ohne Arbeit, fünf Tage länger als im Vormonat.

Zumeldung zur Meldung der Agentur für Arbeit zu den Arbeitslosenzahlen im Juni 2016

Stuttgart, 30. Juni 2016. Heute hat die Agentur für Arbeit die aktuellen Arbeitslosenzahlen bekannt gegeben und die positive Arbeitslosenquote gegenüber anderen Bundesländern unterstrichen. Wir lenken den Blick auf Zahlen, die die Probleme des Arbeitsmarkts in Baden-Württemberg zeigen:

Die Zahl der Arbeitslosen ist im Juni nur geringfügig, um 3.143 Personen oder 1,4 Prozent, gesunken. Gegenüber dem Vorjahresmonat ist mit einem Plus von 1.026 Personen eine leichte Steigerung feststellbar, der Abbau der Arbeitslosigkeit kommt also nicht voran. Die Arbeitslosenquote ist gegenüber dem Juni 2015 gleich hoch geblieben. Der Anstieg der Beschäftigtenzahlen wirkt sich nicht auf die Arbeitslosenzahlen aus. Die Diakonie weist außerdem wieder darauf hin, dass sich eine positive Arbeitsmarktentwicklung fast nur bei den Kurzzeitarbeitslosen feststellen lässt, während bei den Langzeitarbeitslosen kaum noch positive Veränderungen zu erkennen sind.

Der Anteil der Hartz-IV-Empfänger an den Arbeitslosen beträgt aktuell 59,8 Prozent. Die absolute Zahl ist gegenüber dem Vormonat zwar um 713 Personen gesunken, relativ aber dennoch angestiegen, weil sie sich sehr viel weniger bewegt als die Gesamtarbeitslosigkeit und vor allem die Beschäftigtenzahlen. Gegenüber dem Vorjahresmonat und auch im Jahresverlauf ist die Zahl der Hartz-IV-Empfänger auch absolut um 1.284 gestiegen.

Vor allem zeigt sich die Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit an der im Jahresverlauf deutlich gestiegenen durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit für Langzeitarbeitslose. Sie liegt jetzt bei 572 Tagen und ist damit fünf Tage länger als im Vormonat und nur einen Tag kürzer als im Juni 2015.

  • Die Gesamtzahl der Beschäftigten (April 2016) ist gegenüber dem Vorjahr um 102.100 (plus 2,4 Prozent) auf 4.442.800 gestiegen. Dass gleichzeitig die Arbeitslosigkeit um 1.026 Personen zugenommen hat zeigt, dass die Arbeitsmarktentwicklung an den Arbeitslosen vorbei geht.
  • Der relative Anteil der Hartz-IV-Bezieher (SGB II) ist gegenüber dem Vormonat auf 59,8 Prozent um 0,5 Prozent gestiegen. Die absolute Zahl der SGB-II-Arbeitslosen beträgt jetzt 131.627 und ist im Juni um 713 Personen oder 0,5 Prozent gesunken, gegenüber dem Vorjahresmonat aber sogar um 1.284 Personen oder 1,0 Prozent deutlich gestiegen.
  • Betroffen von Langzeitarbeitslosigkeit sind vor allem Arbeitslosengeld-II-Bezieher, sie sind an der Arbeitslosigkeit mit 59,8 Prozent, an der Langzeitarbeitslosigkeit aber mit 84,8 Prozent beteiligt.
  • Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit beträgt für SGB-II-Arbeitslose 572 Tage – fünf Tage mehr als im Vormonat und nur einen Tag weniger gegenüber dem Vorjahresmonat. Demgegenüber beträgt die Dauer der Arbeitslosigkeit im SGB III nur durchschnittlich 189 Tage und ist gegenüber dem Vorjahresmonat sogar um 16 Tage gesunken.
  • Der Bericht der Arbeitsagentur weist aus, dass zwar im Juni 57.997 Personen ihre Arbeitslosigkeit beendeten, dabei konnten aber nur 18.837 Personen aus der Arbeitslosigkeit in eine Erwerbstätigkeit übergehen.
  • Nur 19,4 Prozent derjenigen, die aus dem SGB II heraus ihre Arbeitslosigkeit beendeten, konnten auch eine Erwerbstätigkeit beginnen; von den SGB-III-Empfängern, die aus der Arbeitslosigkeit abgingen, waren das immerhin 44,8 Prozent.
  • Der Bestand an offenen Stellen beträgt 94.269, womit auf jede gemeldete offene Stelle immer noch ungefähr 2,3 Arbeitslose kommen.
  • Die Zahl der Beschäftigung schaffenden Maßnahmen hat sich gegenüber dem Vormonat leicht um 330 Plätze erhöht, gegenüber dem Vorjahresmonat ist sie aber erneut um 368 auf jetzt nur noch 4.577 Plätze reduziert worden.

Weitere Verschärfung: Die am 23. Juni 2016 vom Bundestag beschlossene Reform der Hartz-IV-Gesetzgebung behält Sanktionen gegen die Leistungsbezieher bei, die keine prekäre Beschäftigung annehmen. In diesem Fall müssen die Betroffenen auf existenzsichernde Leistungen für Essen, Kleidung und Wohnen verzichten. Das hat zur Folge, dass die Armut trotz abnehmender Arbeitslosenzahlen steigt. Die Ausnahme vom Mindestlohn für Langzeitarbeitslose fördert nicht existenzsichernde Arbeitsplätze, sondern prekäre Beschäftigung, die durch ergänzende Sozialleistungen aufgestockt werden müssen.

Die positive wirtschaftliche Entwicklung muss jetzt genutzt werden, um diesen Menschen durch eine qualifizierte öffentlich geförderte Beschäftigung die Teilhabe an Arbeit zu ermöglichen und eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen.

Tatsächlich werden die Mittel zur Eingliederung von Arbeitslosen in den vergangenen Jahren zunehmend reduziert, bzw. zunehmend für die Verwaltungskosten eingesetzt. Bundesweit werden in 2016 von den Jobcentern ca. 1.100 Euro pro Person für die Verwaltung der Arbeitslosen eingesetzt (in Baden-Württemberg maximal 1.432 Euro in Schwäbisch Hall, minimal 1.112 Euro im Rems-Murr-Kreis), während sich die Mittel für Eingliederungsmaßnahmen zwischen 273 Euro pro Person im Alb-Donau-Kreis und 541 Euro pro Person in Karlsruhe bewegen. Für die Verwaltung der Arbeitslosigkeit wird also inzwischen mehr als doppelt so viel ausgegeben als für Unterstützung und Eingliederungsmaßnahmen.

Weitere Hinweise unter:
http://www.initiative-pro-arbeit.de/    
http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/   

Das Diakonische Werk Württemberg 
Das Diakonische Werk Württemberg mit Sitz in Stuttgart ist ein selbstständiges Werk und der soziale Dienst der Evangelischen Landeskirche und der Freikirchen. Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes unterstützt der Wohlfahrtsverband im Auftrag des Staates hilfebedürftige Menschen. Das griechische Wort „Diakonia“ bedeutet „Dienst“. Die Diakonie in Württemberg ist ein Dachverband für 1.200 Einrichtungen mit 40.000 hauptamtlichen und 35.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie begleiten Kinder, Jugendliche und Familien, Menschen mit Behinderungen, alte und pflegebedürftige Menschen, Arbeitslose, Wohnungslose, Überschuldete und andere Arme, Suchtkranke, Migranten und Flüchtlinge sowie Mädchen und Frauen in Not. Täglich erreicht die württembergische Diakonie über 200.000 Menschen. Das Diakonische Werk Württemberg ist ebenfalls Landesstelle der Internationalen Diakonie, Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Hoffnung für Osteuropa.