01. August 2017 Pressemitteilung

Die positive Entwicklung des Arbeitsmarkts trägt zur Polarisierung desselben bei

Zahl der Hartz-IV-Empfänger steigt, Dauer der Langzeitarbeitslosigkeit nimmt zu .

  • 112.400 mehr Beschäftigte bei nur 13.360 weniger Arbeitslosen als vor einem Jahr
  • 59.667 Personen haben Arbeitslosigkeit beendet, aber nur 18.941 Personen konnten in Erwerbstätigkeit übergehen
  • Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten von Hartz IV beträgt 336.006, 18.350 mehr als vor einem Jahr

Stuttgart, 1. August 2017. Die Zahl der Arbeitslosen ist im Juli 2017 um 1.934 Personen und damit um 0,9 Prozent gestiegen. Gegenüber dem Vorjahresmonat ist sie zwar um 13.360 Personen niedriger ausgefallen, dieser Rückgang ist jedoch gegenüber der Gesamtzahl von immer noch 209.668 Arbeitslosen in Baden-Württemberg relativ gering.

Auf dem Hintergrund, dass es insgesamt 112.400 Beschäftigte mehr als vor einem Jahr gibt (insgesamt 4.560.800), ist festzustellen, dass sich die positive Entwicklung des Arbeitsmarkts nicht im Abbau der Arbeitslosigkeit niederschlägt. Die Arbeitslosenquote sinkt mehr wegen der gestiegenen Beschäftigtenzahl als wegen der gesunkenen Arbeitslosenzahl. Die Arbeitsmarktentwicklung lässt die Arbeitslosen zurück. Die aktuellen Zahlen des Statistischen Landesamtes (www.statistik-bw.de/Presse/Pressemitteilungen/2017161) zeigen, dass die Beschäftigtenzahl schneller wächst als das Arbeitsvolumen. Es arbeiten also mehr Menschen – oft ungewollt – in Teilzeitarbeitsverhältnissen. Hinzu kommt, dass die Zahl der Arbeitssuchenden gegenüber dem Vormonat erneut gestiegen ist (1.510) und sich gegenüber dem Vorjahresmonat (-3.552) deutlich geringer verändert hat als die Arbeitslosenzahl. Aktuell sind 412.701 als arbeitssuchend gemeldet. Die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt wird größer.

Die Zahl der Unterbeschäftigten – derer, die krank oder in Maßnahmen, aber eigentlich auch arbeitslos sind – fällt mit 243.979 deutlich höher aus als die der registrierten Arbeitslosen. Auch diese Zahl ist gegenüber dem Vormonat gestiegen und gegenüber dem Vorjahresmonat deutlich geringer gefallen als die Arbeitslosenzahl.

Der Bericht der Arbeitsagentur weist aus, dass im Juli zwar 59.667 Personen ihre Arbeitslosigkeit beendeten, aber nur 18.941 Personen aus der Arbeitslosigkeit in eine Erwerbstätigkeit übergehen konnten. Nur 17,6 Prozent derjenigen, die aus dem SGB II, also dem Bezug von Hartz-IV-Leistungen, heraus ihre Arbeitslosigkeit beendeten, konnten eine Erwerbstätigkeit beginnen. Von den SGB-III-Empfängern, die aus der (Kurzzeit-)Arbeitslosigkeit abgingen, waren das immerhin 44,1 Prozent.

Die Zahl der Beschäftigung schaffenden Maßnahmen ist gegenüber dem Vormonat um 103 Plätze gesunken und gegenüber dem Vorjahresmonat lediglich um 375 auf jetzt 4.686 Plätze gestiegen. Diese Zahl ist gegenüber einer Gesamtzahl von 62.064 Langzeitarbeitslosen mehr als ungenügend und die Ausrichtung der Arbeitsmarktmaßnahmen auf Qualifizierung anstelle von öffentlich geförderter Beschäftigung ist angesichts der Struktur der Arbeitslosigkeit eine falsche Schwerpunktsetzung. Und entgegen dieser eigenen Schwerpunktsetzung die berufliche Qualifizierung zu verstärken, sind die Maßnahmen zur Berufswahl, Berufsausbildung und beruflichen Bildung gegenüber dem Vormonat um insgesamt 1.983 Plätze reduziert worden. Die Summe der arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen von insgesamt 81.038 ist um 3.100 im Vergleich zum Vormonat gesunken.

Die Zahl der Menschen, die von Hartz-IV-Leistungen leben – die Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II und ihre Angehörigen – ist im Jahresverlauf deutlich um 31.346 auf 471.536 Menschen gestiegen. Allein die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beträgt 336.006 und damit 18.350 mehr als vor einem Jahr. Diese Entwicklung ist deutlich negativer als die der reinen Arbeitslosenzahlen und hat sich in den letzten Monaten beschleunigt. Scheinbar gelingt es den Menschen selbst bei Aufnahme einer Arbeit nicht, sich aus der Hilfebedürftigkeit zu befreien. Dieser Trend nimmt zu. Das Phänomen steigender Armut trotz Arbeit weitet sich immer mehr aus und ist ein ernsthaftes Alarmsignal. Auch der soeben erschienene Armutsbericht der Bundesregierung weist eine ständige Zunahme der „Working Poor“ aus, das sind die Menschen, die trotz Arbeit arm bleiben.

Die Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit zeigt sich unverändert an der durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit für Langzeitarbeitslose, die im SGB-II-Bereich bei 592 Tagen liegt und damit erneut gestiegen ist, 2 Tage mehr als im Vormonat und 22 Tage mehr gegenüber dem Vorjahresmonat. Es gibt zwar weniger Arbeitslose im Rechtskreis des SGB II, aber die bleiben dafür immer länger arbeitslos. Die Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit nimmt offensichtlich immer weiter zu. Demgegenüber beträgt die Dauer der Arbeitslosigkeit im SGB III, der Kurzzeitarbeitslosen, nur durchschnittlich 166 Tage und ist gegenüber dem Vormonat um 12, gegenüber dem Vorjahresmonat um 10 Tage gesunken. Die gesellschaftliche Polarisierung nimmt auch auf dem Arbeitsmarkt und unter den Arbeitslosen zu.

Die Diakonie fordert seit Langem, die positive wirtschaftliche Entwicklung zu nutzen, um Langzeitarbeitslosen durch eine qualifizierte öffentlich geförderte Beschäftigung die Teilhabe an Arbeit zu ermöglichen und eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Stattdessen wird inzwischen für die Verwaltung der Arbeitslosigkeit doppelt so viel ausgegeben wie für Unterstützungs- und Eingliederungsmaßnahmen. Auch die in dem weitgehend gescheiterten Programm der Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen (FIM) nicht verbrauchten Mittel in Höhe von 240 Millionen Euro pro Jahr sollen in die Verwaltungsetats der Jobcenter und nicht in aktive Unterstützungsmaßnahmen für anerkannte und geduldete Flüchtlinge fließen. Immer mehr Gelder fließen in die Verwaltung der Arbeitslosigkeit statt in ihre Bekämpfung. Dabei werden nach einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (KB 4/2016) nur noch 14 Prozent aller Stellenbesetzungen über die Agenturen für Arbeit abgewickelt. Was die Agenturen und Jobcenter als ihr Kerngeschäft reklamieren, findet weitestgehend ohne sie statt. Da wundert es nicht, dass jetzt sogar der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit nach mehr Eingliederungsmitteln verlangt.

Weitere Hinweise unter:
http://www.initiative-pro-arbeit.de/   
http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/   

Das Diakonische Werk Württemberg 
Das Diakonische Werk Württemberg mit Sitz in Stuttgart ist ein selbstständiges Werk und der soziale Dienst der Evangelischen Landeskirche und der Freikirchen. Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes unterstützt der Wohlfahrtsverband im Auftrag des Staates hilfebedürftige Menschen. Das griechische Wort „Diakonia“ bedeutet „Dienst“. Die Diakonie in Württemberg ist ein Dachverband für 1.200 Einrichtungen mit 40.000 hauptamtlichen und 35.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie begleiten Kinder, Jugendliche und Familien, Menschen mit Behinderungen, alte und pflegebedürftige Menschen, Arbeitslose, Wohnungslose, Überschuldete und andere Arme, Suchtkranke, Migranten und Flüchtlinge sowie Mädchen und Frauen in Not. Täglich erreicht die württembergische Diakonie über 200.000 Menschen. Das Diakonische Werk Württemberg ist ebenfalls Landesstelle der Internationalen Diakonie, Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Hoffnung für Osteuropa.


Sammlung zum Karfreitag 2024

Diakonie und Evangelische Landeskirche in Württemberg rufen zu Spenden für „Hoffnung für Osteuropa“ am Karfreitag auf. Mit dieser Aktion unterstützen die Diakonie und Landeskirche in Württemberg die humanitäre Hilfen und Soziale Arbeit ihrer langjährigen Partner in insgesamt zehn Ländern.