31. März 2017 Pressemitteilung

Arbeitslosenquote sinkt nicht wegen geringerer Zahl von Arbeitslosen

Mehr Beschäftigte auch wegen gesunkener Arbeitszeit. Zahl der Unterbeschäftigten liegt deutlich über Zahl registrierter Arbeitsloser. Steigende Armut trotz Arbeit.

  • Mehr Beschäftigte auch wegen gesunkener Arbeitszeit
  • Zahl der Unterbeschäftigten liegt deutlich über Zahl registrierter Arbeitsloser
  • Steigende Armut trotz Arbeit

Stuttgart, 31. März 2017. Die Zahl der Arbeitslosen ist im März 2017 um 7.542 Personen oder 3,3 Prozent gesunken. Gegenüber dem Vorjahresmonat ist sie um 11.476 Personen niedriger ausgefallen, dieser Rückgang ist jedoch gegenüber der Gesamtzahl von 222.479 Arbeitslosen in Baden-Württemberg relativ gering.

Auf dem Hintergrund, dass es insgesamt 106.900 Beschäftigte mehr als vor einem Jahr gibt (insgesamt 4.509.900), stellt man fest, dass sich die positive Entwicklung des Arbeitsmarkts nicht im Abbau der Arbeitslosigkeit niederschlägt. Die Arbeitslosenquote sinkt mehr wegen der gestiegenen Beschäftigtenzahl als wegen der gesunkenen Arbeitslosenzahl. Das Statistische Landesamt weist darauf hin   , dass die Zunahme der Beschäftigtenzahl auch darauf zurückzuführen ist, dass die durchschnittliche Arbeitszeit pro Beschäftigtem gesunken ist. Es arbeiten also mehr Menschen – oft ungewollt – in Teilzeitarbeitsverhältnissen. Hinzu kommt, dass die Zahl der Arbeitssuchenden gegenüber dem Vorjahresmonat um 1,7 Prozent auf 416.726 Personen gestiegen ist. Die Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt wird größer.

Die Zahl der Unterbeschäftigten – derer, die krank oder in Maßnahmen, aber eigentlich auch arbeitslos sind – fällt mit 312.693 deutlich höher aus als die der registrierten Arbeitslosen. Gerade diese Zahl ist gegenüber dem Vorjahresmonat um 10.330 oder 3,4 Prozent gestiegen.

Der Bericht der Arbeitsagentur weist aus, dass im März zwar 68.313 Personen ihre Arbeitslosigkeit beendeten, aber nur 22.245 Personen aus der Arbeitslosigkeit in eine Erwerbstätigkeit übergehen konnten. Nur 14,9 Prozent derjenigen, die aus dem SGB II, also dem Bezug von Hartz-IV-Leistungen, heraus ihre Arbeitslosigkeit beendeten, konnten eine Erwerbstätigkeit beginnen. Von den SGB-III-Empfängern, die aus der (Kurzzeit-)Arbeitslosigkeit abgingen, waren das immerhin 45,8 Prozent. Insgesamt hat der Anteil derjenigen abgenommen, die aus der Arbeitslosigkeit heraus eine Erwerbstätigkeit aufnehmen können.

Der Bestand an offenen Stellen beträgt 96.073, 2.795 mehr als im Vormonat, aber dennoch kommen auf jede gemeldete offene Stelle immer noch rechnerisch ungefähr 2,3 Arbeitslose.

Die Zahl der Beschäftigung schaffenden Maßnahmen ist gegenüber dem Vormonat um 163 und gegenüber dem Vorjahresmonat um 474 auf jetzt 4.546 Plätze gestiegen. Diese Zahl ist gegenüber einer Gesamtzahl von 64.544 Langzeitarbeitslosen mehr als ungenügend und die Ausrichtung der Arbeitsmarktmaßnahmen auf Qualifizierung anstelle von öffentlich geförderter Beschäftigung ist angesichts der Struktur der Arbeitslosigkeit eine falsche Schwerpunktsetzung.

Die Zahl der Menschen, die von Hartz-IV-Leistungen leben – die Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II und ihre Angehörigen – ist im Jahresverlauf deutlich um 28.545 auf 463.685 Menschen gestiegen. Allein die Zahl der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten beträgt 331.702 und damit 17.719 mehr als vor einem Jahr. Diese Entwicklung ist deutlich negativer als die der reinen Arbeitslosenzahlen. Scheinbar gelingt es den Menschen selbst bei Aufnahme einer Arbeit nicht, sich aus der Hilfebedürftigkeit zu befreien. Dieser Trend nimmt zu. Das Phänomen steigender Armut trotz Arbeit weitet sich immer mehr aus.

Die Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit zeigt sich unverändert an der durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit für Langzeitarbeitslose, die im SGB-II-Bereich jetzt bei 493 Tagen liegt, und sogar 8 Tage mehr gegenüber dem Vorjahresmonat. Demgegenüber beträgt die Dauer der Arbeitslosigkeit im SGB III, der Kurzzeitarbeitslosen, nur durchschnittlich 197 Tage und ist gegenüber dem Vorjahresmonat um 19 Tage gesunken.

Die positive wirtschaftliche Entwicklung sollte jetzt verstärkt genutzt werden, um diesen Menschen durch eine qualifizierte öffentlich geförderte Beschäftigung die Teilhabe an Arbeit zu ermöglichen und eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. Stattdessen wird inzwischen für die Verwaltung der Arbeitslosigkeit mehr als doppelt so viel ausgegeben wie für Unterstützungs- und Eingliederungsmaßnahmen. Dabei werden nach einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (KB 4/2016) nur noch 14 Prozent aller Stellenbesetzungen über die Agenturen für Arbeit abgewickelt. Was die Agenturen und Jobcenter als ihr Kerngeschäft reklamieren, findet weitestgehend ohne sie statt.

Weitere Hinweise unter:
http://www.initiative-pro-arbeit.de/   
http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/   


Das Diakonische Werk Württemberg
Das Diakonische Werk Württemberg mit Sitz in Stuttgart ist ein selbstständiges Werk und der soziale Dienst der Evangelischen Landeskirche und der Freikirchen. Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes unterstützt der Wohlfahrtsverband im Auftrag des Staates hilfebedürftige Menschen. Das griechische Wort „Diakonia“ bedeutet „Dienst“. Die Diakonie in Württemberg ist ein Dachverband für 1.200 Einrichtungen mit 40.000 hauptamtlichen und 35.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie begleiten Kinder, Jugendliche und Familien, Menschen mit Behinderungen, alte und pflegebedürftige Menschen, Arbeitslose, Wohnungslose, Überschuldete und andere Arme, Suchtkranke, Migranten und Flüchtlinge sowie Mädchen und Frauen in Not. Täglich erreicht die württembergische Diakonie über 200.000 Menschen. Das Diakonische Werk Württemberg ist ebenfalls Landesstelle der Internationalen Diakonie, Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Hoffnung für Osteuropa.