Die beiden Geschäftsführerinnen des KDV Esslingen blicken in die Kamera.
© Beuttenmüller

Diakonie im Landkreis: Gegen ein Klima der Angst und Ablehnung

Die diakonischen Träger des Landkreises Esslingen tauschen sich über die gegenwärtige Lage aus.

Vertreterinnen und Vertreter von diakonischen Einrichtungen sowie Vorsitzende von Gremien der evangelischen Kirche im Landkreis Esslingen trafen sich am 19. November zur Regionalversammlung der Diakonie im Landkreis Esslingen in Kirchheim unter Teck. Bei der Gelegenheit stellten sich Tanja Herbrik und Christine Schneider als neue Geschäftsführerinnen des Kreisdiakonieverbands vor. Im Mittelpunkt der Tagung standen jedoch die gegenwärtige Lage der diakonischen Angebote im Landkreis sowie Fragen zu deren Weiterentwicklung und Finanzierung in Zeiten einer sich stark verändernden Gesellschaft. 

Ingrid Gunzenhauser von der Bruderhausdiakonie macht anhand eines erlebten Beispiels klar, wie die Stimmung im Landkreis Esslingen zu sein scheint: „Eine Gruppe geflüchteter junger Menschen mit Betreuerinnen unserer Einrichtung unterbrach ihre Bahnfahrt nach Stuttgart, weil sie von einer Frau im Zug derart rassistisch beleidigt wurden, dass sie fürchteten, die Lage würde eskalieren“, berichtet sie aus dem Alltag.

Der Kreis der Praktikerinnen und Praktiker der Diakonischen Arbeit, von der Pflege und Altenhilfe, Jugendhilfe, Menschen in Armut, der Arbeit mit Wohnungslosen oder anderen benachteiligten Menschen ist sich einig: Die Lunte bei vielen Menschen scheint kurz zu sein und es sei eine erhöhte Aggression festzustellen. Ingrid Gunzenhauser sprach sogar von einem Klima der Angst, das sich breitmache.

Axel Glühmann von EVA e.V. und Janina Baaken von Heimstatt e.V. sprachen für die Arbeit mit Wohnungslosen Menschen. Auch hier sei eine höhere Aggression feststellbar und man treffe vermehrt auf Menschen mit psychischen Auffälligkeiten. Das sei alles andere als einfach, man stelle sich jedoch mit Schulungen für die Mitarbeiter*innen darauf ein.

Sowohl Tanja Herbrik, Geschäftsführerin des Kreisdiakonieverbands und der Diakonie im Landkreis als auch Marianne Gmehlin von der Flüchtlingsarbeit im Kirchenbezirk Kirchheim sehen das Ansinnen der Politik, Menschen aus der Ukraine oder Geflüchtete aus anderen Ländern möglichst schnell in den ersten Arbeitsmarkt zu bekommen kritisch. Langen Wartezeiten auf Sprachkurse, wenig Anerkennung ausländischer Abschlüsse und oft sehr lange Bearbeitungszeiten auf den Ämtern sprächen für geringe Erfolgsaussichten. 

Das Scheitern der Ampel habe direkte Auswirkungen auf die Pflege und Altenhilfe, so Jochen Schnitzler, Geschäftsführer der Diakoniestation Nürtingen-Neuffen. „Die Pflegeversicherung eiert an der Grenze der Pleite herum“, so Schnitzler, „eine Reform wurde zwar zugesagt, ist nun jedoch auf unbestimmte Zeit verschoben“. Stefan Nowak von der Altenhilfe der Stiftung Tragwerk ergänzt: „Am Ende werden höhere Eigenanteile für die Pflege stehen und die Sozialämter werden damit beschäftigt.“

Düstere Aussichten also? Trotz aller Schwierigkeiten sind sich die Vertreterinnen und Vertreter der Diakonie im Landkreis einig: Insgesamt laufe auch vieles gut und man sieht sich mit Landkreis und den Kommunalverwaltungen in einem Boot. Geschäftsführerin Tanja Herbrik betont, die Diakonie im Landkreis Esslingen setze sich mit ihrer Arbeit gegen ein Klima der Angst und der Ablehnung ein und dafür, dass das soziale Miteinander und die Solidarität wieder mehr im Mittelpunkt steht – auch bei der nächsten Wahl. Denn zu Demokratie und sozialem Miteinander gebe es keine gute Alternative.

 

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