23. Mai 2023

Selbstbestimmung respektieren, Beratung und palliative Versorgung garantieren

Gesetz zum assistierten Suizid erfordert vorab entscheidende Maßnahmen

Stuttgart, 23. Mai 2023. Der Zusammenschluss der Träger diakonischer stationärer Einrichtungen der Altenhilfe hat bei seiner Klausur alle drei vorgelegten Gesetzesentwürfe zur Regelung eines assistierten Suizids als unzureichend bewertet und fordert Nachbesserungen.

„Der Bundestag muss beim Gesetz zur geschäftsmäßig geförderten Suizidbeihilfe die Selbstbestimmung der Sterbewilligen betonen, um den Schutz vor Fremdbestimmung zu gewährleisten“, sagte Sebastian Köbbert, Vorsitzender des Württembergischen Evangelischen Fachverbands für Altenhilfe in Württemberg (WEFA). Dafür seien eine fachlich gut aufgestellte Beratung, flächendeckende Palliativversorgung und Suizidprävention auszubauen, damit Menschen am Lebensende auch tatsächlich informiert und selbstbestimmt entscheiden können, wie sie im Sterben gepflegt und begleitet werden wollen. Diese Maßnahmen müssten bei der Diskussion um Suizidbeihilfe einen höheren Stellenwert bekommen.

Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, fordert eine differenzierte, fachlich qualifizierte Beratungspflicht. „Gute Beratung setzt Offenheit und Vertrauen voraus. Sie soll für alle Menschen durch behördenunabhängige Beratungsstellen angeboten werden, die insbesondere für Bewohner stationärer Einrichtungen auch eine aufsuchende Beratung anbieten.“ Inhalte müssten die Aufklärung über den medizinischen Vorgang der Sterbehilfe, palliative Maßnahmen und Informationen zur seelsorglichen und psychologischen Unterstützung sein. Am Lebensende müsse Beratung kurzfristig erreichbar sein. Bei psychischen Krisen im Lebenszyklus sollten differenzierte fachliche Angebote auch mit längerfristiger Unterstützung angeboten werden.

Innerhalb der Diakonie werde diskutiert, wie in den Einrichtungen der Umgang mit geschäftsmäßigem assistiertem Suizid umzugehen ist. Dabei müsse rechtlich geprüft sein, was unter „Mitwirkung bei einem geschäftsmäßig geförderten assistierten Suizid“ zu verstehen ist, um für die Mitarbeitenden Rechtssicherheit zu schaffen. Diese Frage sollte in der Rechtsprechung sicher geregelt sein. Dabei seien das diakonische Profil von Hospizen und Pflegeeinrichtungen mit ihren christlichen Werten zu berücksichtigen.

Die württembergische Diakonie fordert eine flächendeckende, finanziell gut ausgestattete palliative Versorgung sowie einen Ausbau der gesundheitlichen Versorgungsplanung (gVP), um auch zuhause zum Lebensende gut beraten und begleitet werden zu können. Darüber hinaus brauche es in allen Religionsgemeinschaften seelsorgliche Angebote, die zeitnah eine qualifizierte Betreuung der Betroffenen und deren Bezugspersonen sicherstellen.

Die Diakonie unterstützt den fraktionsübergreifenden Gruppenantrag des Bundestages zum Ausbau der Suizidprävention, zum Beispiel durch einen bundesweiten Suizidpräventionsdienst, der Menschen mit Suizidgedanken und deren Angehörige rund um die Uhr Kontakt zu geschultem Personal ermöglicht.

Hintergrund
Im Februar 2020 gab es nach Klagen einen Anstoß zur Neuregelung der geschäftsmäßig geförderten Suizidassistenz durch das Bundesverfassungsgericht. Ende Juni 2022 wurden im Deutschen Bundestag drei Gesetzes-Entwürfe in einer ersten Lesung beraten. Sachverständige und Abgeordnete haben am 28. November 2022 in einer öffentlichen Anhörung des Rechtsausschusses über eine mögliche Neuregelung des geschäftsmäßig geförderten assistierten Suizides und der Sterbebegleitung debattiert. Grundlage der Anhörung waren drei fraktionsübergreifende Gesetzentwürfe von Abgeordnetengruppen in Reaktion auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 2020. Das Gericht hatte das 2015 beschlossene Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe in Paragraf 217 des Strafgesetzbuches für verfassungswidrig und nichtig erklärt.