Aufarbeitung

Die Evangelische Landeskirche in Württemberg hat zur Aufarbeitung in ihrem Verantwortungsbereich bereits 2015 eine Unabhängige Kommission für die Gewährung von Leistungen in Anerkennung des erlittenen Leids eingesetzt. Sie übernimmt damit Verantwortung für das Leid, das Menschen, die als Kinder oder Jugendliche durch Mitarbeitende der württembergischen Landeskirche oder Diakonie durch sexualisierte Gewalt erfahren haben und gewährt „Leistungen in Anerkennung des erlittenen Leids“.

Merkblatt Anerkennungsleistungen (PDF)
Antrag Anerkennungsleistungen (DOC)

Aufarbeitung von sexueller Gewalt ist neben Prävention, Intervention und Hilfen ein wesentlicher Aspekt im Kampf gegen sexualisierte Gewalt. Im Gegensatz zu einem Strafverfahren geht es nicht darum, einen Täter oder eine Täterin zu überführen und zu verurteilen, denn die Fälle sind oft verjährt. Umso wichtiger ist es für Betroffene, dass ihr Leid gesehen und anerkannt wird und dass Einrichtungen aus diesen Fällen lernen.

Der Begriff „Aufarbeitung“ wird im Kontext sexualisierter Gewalt in Institutionen für die Beschreibung unterschiedlicher Prozesse verwendet - sowohl für die Untersuchung zurückliegender Fälle als auch für die zukunftsorientierte Auseinandersetzung mit aktuellen Fällen.

Institutionelle Aufarbeitung

Unter institutioneller Aufarbeitung versteht man die strukturelle Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt und Machtmissbrauch innerhalb einer Institution (zum Beispiel in einer Kirchengemeinde oder einer Einrichtung). Dabei geht es zum einen darum, transparent zu machen, wo und in welchem Ausmaß und welchen Formen Menschen Gewalt und Grenzverletzungen erlebt haben. Vor allem befasst sich die institutionelle Aufarbeitung aber auch damit zu ergründen, welche Faktoren sexuellen Missbrauch vor Ort begünstigt haben und wie mit Betroffenen, aber auch den Tätern und Täterinnen umgegangen wurde.

Die Diakonie Württemberg und ein Teil ihrer Mitglieder haben ihre Geschichte der Heimerziehung in den 1950er bis 1970er Jahre aufgearbeitet. Zum Landesverband der Inneren Mission gehörten damals über 30 Heime für Kinder und Jugendliche. Die Aufsichtsfunktion über die Einrichtungen oblag über lange Jahre dem Landesverband. Im Rahmen dieser Funktion erhielt der Landesverband Kenntnis über Probleme und kritikwürdige Zustände in den Heimen und war aktiv an den Lösungsmöglichkeiten beteiligt.

Zur Aufarbeitung wurden Aktenbestände durchforstet Strukturen der Heimerziehung beleuchtet, die Reformbestrebungen in den frühen 1950er Jahren analysiert und die Ergebnisse 2017 in einem Buch veröffentlicht. Ein Kapitel des Buches beschäftigt sich mit einer besonders dramatischen Dimension von Fehlverhalten, den sexualisierten Gewalttaten an betreuten Kindern und Jugendlichen. 

Veröffentlichungen zu Ergebnissen der Aufarbeitungsprozesse in Einrichtungen der Diakonie (PDF)

Individuelle Aufarbeitung

Bei der individuellen Aufarbeitung geht es um den einzelnen Menschen, der sexualisierte Gewalt erlebt hat, und darum, wie er mit dem Erlebten umgehen und es möglichst auch bewältigen kann. Dazu kann gehören, über das vergangene Unrecht zu sprechen - in einem privaten oder auch öffentlichen Umfeld, aber auch im Rahmen einer Therapie. Auch Anerkennungsleistungen über die Unabhängige Kommission können dabei ein Teil der individuellen Aufarbeitung sein. Die Evangelische Landeskirche unterstützt Betroffene in ihrer individuellen Aufarbeitung und der Vernetzung mit anderen Betroffenen.

Betroffenenbeteiligung

Wie die Evangelische Kirche Deutschland und die Diakonie Deutschland haben die Evangelische Landeskirche in Württemberg und das Diakonische Werk Württemberg entschieden, Betroffene sexualisierter Gewalt an allen Entscheidungsprozessen von Kirche und Diakonie zu sexualisierter Gewalt einzubeziehen. Sie sind sich darin einig, dass die Glaubwürdigkeit ihrer Institutionen und die Wirksamkeit ihrer Angebote von dieser Beteiligung profitieren. Seit 2022 haben drei Betroffenenforen stattgefunden, seit 2023 werden betroffene Personen in ihrem Prozess der Selbstorganisation unterstützt.

Anerkennung des Leids
Betroffene, die in ihrer Kindheit und Jugend oder als Erwachsene in einem Abhängigkeitsverhältnis sexualisierte Gewalt in Einrichtungen der Diakonie Württemberg durch Mitarbeitende oder Bewohner und Bewohnerinnen erfahren haben, haben Anspruch auf Anerkennungs- und Unterstützungsleistungen, sofern die Tat verjährt ist.

  • Unterstützungsleistungen
    Die Ansprechstelle kann Betroffenen von sexualisierter Gewalt zur Bewältigung akuter Notlagen Unterstützungsleistungen zur Verfügung stellen. Dies geschieht durch Sach- oder Geldleistungen.
  • Anerkennungsleistungen
    Information, Beratung und Unterstützung bei der Antragsstellung erhalten sie bei der Ansprechstelle der Diakonie Württemberg.
    Merkblatt Anerkennungsleistungen (PDF)
    Antrag Anerkennungsleistungen (DOC)

Der Antrag auf Leistungen in Anerkennung des erlittenen Leids ist schriftlich unter Verwendung des dafür vorgesehenen Antragsformulars zu stellen. Er ist an die Geschäftsstelle der Unabhängigen Kommission zur Gewährung von Leistungen in Anerkennung des Leids an Betroffene sexualisierter Gewalt zu richten.