24. September 2024

Künstler, Eigenbrötler, Gesicht Mariabergs

Buntes Bild mit Engel

Kreiskulturpreisträger und Outsider Artist Roland Kappel verstorben

Gammertingen/Mariaberg (vea). Roland Kappel, über die Region hinaus bekannter Künstler des Mariaberger Atelier 5 und Kulturpreisträger des Landkreises Sigmaringen, ist tot. Am Morgen des 13. September 2024 ist der 75-Jährige friedlich in seinem Zuhause in der Burghaldenstraße 14 in Mariaberg verstorben. Sein Tod kam unerwartet, ganz in Ruhe und für sich – so, wie er es vermutlich gewollt hätte. „Roland Kappel hat in Mariaberg und auf den Baustellen der Region so etwas wie Heimat gefunden, dabei hat er sein Leben lang seine eigene Welt gebastelt und erschaffen“, heißt es im Nachruf seiner Wohngruppe.

Ein Künstler mit einer Mission

Roland Kappel, geboren am 12. Mai 1949 in Reutlingen, wurde bereits wenige Tage nach seiner Geburt in ein Kinderheim gegeben, die Eltern waren unbekannt. Mit sechs Jahren kam er nach Mariaberg und verbrachte dort den Großteil seines Lebens. Dort entwickelte er sich auch zu einer einzigartigen Künstlerpersönlichkeit, die weit über die Region hinaus bekannt wurde.

Nach der Schule arbeitete er zuerst in der Korbmacherei, dann bis zum Renteneintritt in der Stanzerei der Mariaberger Werkstätten. Roland Kappel war nicht nur ein Künstler, sondern Bauherr seiner eigenen Welt, die von seiner Leidenschaft für Maschinen und Architektur geprägt war. Er baute aus gefundenen Materialien detail- und maßstabsgetreue Miniaturen von Baumaschinen, die er als Zaungast auf Baustellen der Region studiert hatte. Diese „Baumission“, wie er sein Lebenswerk nannte, entwickelte sich zu einem poetischen Kosmos, der ständig in Bewegung war. So wie der Künstler selbst, der von seiner Wohnstätte in Mariaberg aus täglich loszog und von den Menschen der Umgebung gerne ein Stück als Tramper mitgenommen wurde.  „Ich bin dankbar, dass ich ihn insbesondere in seinem künstlerischen Tun über die Jahrzehnte begleiten durfte,“ sagte Rüdiger Böhm, ehemaliger Vorstand von Mariaberg. Er und Roland Kappel blicken auf einen gemeinsamen Weg zurück, der sich über 50 Jahre erstreckt. „Ihm ist bei aller Trauer ein pflegebedürftiger Weg erspart geblieben. Er wäre sicher auch nicht mit einer Einschränkung seiner Freiheit zurechtgekommen.“

Über Jahrzehnte hinweg widmete sich Kappel seiner Kunst, die neben den Baumaschinen aus einem penibel geführten Katalog von tausend gemalten Verkehrsschildern aus aller Welt sowie exakten Bauskizzen, farbenprächtigen Landschafts- und Tierdarstellungen sowie sakralen Motiven besteht. Er kombinierte dabei mithilfe seines photographischen Gedächtnisses Präzision mit Fantasie. Wichtig waren dem Künstler stets der katholische Glaube und christliche Votivzeichnungen sowie barocke Kirchenmusik, die er auf Kassetten aufzeichnete.

Seine Werke wurden nicht nur in der Region, wie zum Beispiel im Museum Würth in Künzelsau, sondern auch international ausgestellt, darunter in London, Glasgow und Gent. In 2019 wurde Roland Kappel zusammen mit der Lautenbacher Blaskapelle mit dem 11. Kulturpreis des Landkreises Sigmaringen ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr 2023 wurde er von Dr. Edwin Weber, dem Beauftragten für Kunst des Landratsamtes Sigmaringen, anlässlich des Jubiläums 50 Jahre Landkreis Sigmaringen eingeladen, mit seinen Werken an der Ausstellung „Kreisbilder“ teilzunehmen. Die Dauerausstellung „Baumis’on Roland Kappel“ im Mariaberger Klostergebäude zeugen von seiner besonderen Stellung als Künstler.

Ein stiller Einzelgänger

Im privaten Leben war Kappel ein zurückhaltender Mensch, was auch seinem stark ausgeprägten Autismus zuzuschreiben ist. Bereits als Kind wurde er als „Eigenbrötler“ beschrieben. Auch wenn er in verschiedenen Wohngruppen und Betreuungsformen in Mariaberg lebte, pflegte er stets eine gewisse Distanz zu seinen Mitmenschen. „Am liebsten ist er natürlich für sich allein,“ hieß es bereits in einem frühen Bericht über den jungen Roland Kappel. Diese Zurückhaltung war jedoch nicht gleichbedeutend mit Isolation – so ziemliche alle Menschen des Umkreises kannten ihn, sei es als regelmäßigen Kirchgänger, als Tramper oder als Teilnehmer am Kunstunterricht des Gymnasiums Gammertingen. Hier lehrte er bereitwillig die Schülerinnen und Schüler seine Maltechniken, korrigierte, wo er es für angebracht hielt, und verschenkte kleine Zeichnungen an die Kinder. 

Ein Vermächtnis für Mariaberg und die Kunstwelt

„Viele Menschen in der Region und darüber hinaus haben den Begriff Mariaberg mit Roland Kappel verbunden,“ so Rüdiger Böhm. Sein Tod hinterlässt eine Lücke, nicht nur in der Gemeinschaft von Mariaberg, sondern auch in der Kunstwelt. Sein einzigartiger Blick auf die Welt, seine poetische Annäherung an das Zusammenspiel von Technik und Menschlichkeit, werden noch lange nachwirken. Die Ausstellung „Kreisbilder“ mit seinen Werken wird noch bis November im Café fair & mehr am Trégueuxplatz 1 in Gammertingen zu sehen sein. 

Am 8. Oktober 2024 um 14.30 Uhr wird Roland Kappel im Rahmen eines Trauergottesdienstes in der Klosterkirche Mariaberg verabschiedet und im Friedhof Mariaberg beigesetzt. Im Nachruf der Wohngruppe heißt es: „Wir haben mit ihm ein, wenn nicht das Gesicht Mariabergs verloren; vor allem aber einen sensiblen und speziellen, „schrulligen“ sowie liebenswürdigen Menschen. Roland Kappel: Allseits bekannt – aber kaum gekannt.“