03. Februar 2023

Pflegereform in der Sackgasse

Im Streit um das Geld bleibt die Pflege auf der Strecke

Stuttgart, 3. Februar 2023 – Seit Wochen liegen Gesundheitsminister Karl Lauterbach und Finanzminister Christian Lindner bei den Steuerzuschüssen für die Pflegever-sicherung über Kreuz. Wenn es nicht gelingt, diesen Streit zu überwinden, bleiben Pflegebedürftige auf der Strecke. Und das Pflegesystem fährt gegen die Wand. Die Pflege hat es verdient, zukunftsfest gemacht zu werden. Dafür müssen alle Reformbedarfe in den Blick genommen werden. Lösungen dafür liegen auf dem Tisch.

Insgesamt fünf Millionen Pflegebedürftige gibt es in Deutschland. Mit mindestens genauso vielen Angehörigen und 1,25 Millionen Beschäftigten in 31.500 Pflegeeinrichtungen warten sie seit Jahren auf die dringend erforderliche Pflegereform. Alles, was es dazu nach 14 Monaten Regierungskoalition gibt, ist ein peinlicher Streit ums liebe Geld. „Das ist beängstigend“, sagt Hauptgeschäftsführer Bernhard Schneider, „bis heute kennen wir keinen einzigen konkreten Punkt der angeblich großen Pflegereform aus dem Hause Lauterbach“. Trotzdem wird schon um Steuermilliarden gefeilscht. Es ist zu befürchten, dass es nur ein paar kosmetische Korrekturen gibt, mit denen die Probleme nicht nachhaltig gelöst werden. „Sie werden wieder viel Bürokratie, neue Baustellen und Enttäuschung hinterlassen“, ärgert sich Schneider.

Die aktuelle Diskussion bestätigt die Befürchtung, dass selbst von den ohnehin dürren Versprechungen nicht viel übrigbleiben wird. Die Rede ist von einer Entlastung bei den Eigenanteilen, einer Dynamisierung des Pflegegeldes oder einer Stärkung der ambulanten Pflege. Ein stimmiges und nachhaltiges Reformkonzept? Fehlanzeige. Dabei fehlt es nicht an guten Lösungen, die von der Initiative Pro-Pflegereform zusammen mit Prof. Dr. Heinz Rothgang entwickelt wurden. Diese fundierten Bausteine fügen sich in ein Reformkonzept, mit dem die Pflegeversicherung zukunftsfähig gemacht werden kann.
Das Wichtigste: dass Pflegebedürftige und Angehörige schnell und spürbar finanziell entlastet und Pflegende gestärkt werden. Das Konzept der Initiative enthält ein Sofortprogramm mit kurzfristig zu realisierenden Maßnahmen: dem Sockel-Spitze-Tausch im stationären Setting, der konsequenten Umsetzung des Personalbemessungssystems und dem Pflegegeld 2.0 mit dem Prinzip Cash-for-Care im ambulanten Bereich. Es weist aber auch darüber hinaus und zeigt, wie und wann weitere Bausteine, wie die Aufhebung der Sektorengrenzen oder das Drei-Instanzen-Modell, zu einer großen Pflegereform zusammengeführt werden können.

„Besonders enttäuschend ist“, sagt Schneider, „dass die Empfehlungen für eine nachhaltige Finanzierung von der Politik nicht aufgegriffen werden“. Der Streit zwischen dem SPD-geführten Gesundheits- und dem liberal geführten Finanzministerium wird auf ideologischer Ebene geführt. „Das wird dem Ernst der Lage nicht gerecht, sondern führt nur weiter in die Sackgasse“, kritisiert der Hauptgeschäftsführer. Die Berechnungen von Prof. Rothgang zeigen, dass eine Kombination unterschiedlicher Finanzierungsbausteine die Pflegeversicherung auf solide Füße stellen kann. Gleichzeitig eröffnet sich mehr Spielraum für politische Kompromisse: Neben dem Steuerzuschuss, der mindestens die versicherungsfremden Leistungen, wie etwa Corona-Mehrausgaben, ausgleichen muss, und einer moderaten Erhöhung des Versicherungsbeitrages, gibt es drei weitere Stellschrauben, die einen spürbaren Effekt auf die Einnahmen haben: Da ist zunächst ein Zuschuss, den die für die pflegerische Infrastruktur verantwortlichen Länder leisten müssen, um Heimbewohner bei den hohen Investitionskosten zu entlasten. Eine vierte, grundlegende Stellschraube ist die Weiterentwicklung der Pflegeversicherung zu einer Bürgerversicherung. Damit werden alle Bürger und alle Einkommensarten in die Solidargemeinschaft einbezogen – ein Herzensanliegen, das SPD und Grüne verbindet. Und schließlich gibt es noch den Sockel-Spitze-Tausch, der nicht nur die Eigenanteile der Heimbewohner verlässlich begrenzt. Er eröffnet auch die konkrete Möglichkeit, über eine Absicherung des Eigenanteils die private Vorsorge zu stärken – ein Herzensanliegen der FDP.

„Wenn jeder in der Ampel dem Regierungspartner sein Herzensanliegen gönnt, sind Kompromisse und eine große Pflegereform tatsächlich möglich“, ist Schneider überzeugt. Nötig wäre dafür jedoch der politische Wille, die Sackgasse zu überwinden und gemeinsam mit den Betroffenen nach konstruktiven Lösungen zu suchen. Und wo ein Wille ist, ist bekanntlich auch ein Weg.