Gregor Gysi im „Spotlight“

Sehr kurzweilig und immer mit einem Augenzwinkern gab Bundespolitiker Gregor Gysi (Die Linke) bei der Veranstaltungsreihe „Spotlight“ im futurum der Diakonie Württemberg Einblicke in seine Biografie. „Zum Anwalt gehen nie glückliche Menschen. Da muss in mir die Krankheit entstanden sein, dass mich nur Organisationen und Menschen interessieren, die Probleme haben“, erzählte der Alterspräsident des Bundestags, der im DDR-System als Rechtsanwalt Regimekritiker und Bürgerrechtler wie Rudolf Bahro und Robert Havemann verteidigt hatte.
Im Gespräch mit der Vorstandsvorsitzenden der Diakonie Württemberg, Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller, schlug er in zahlreichen Anekdoten den Bogen vom Aufwachsen mit kommunistischen Eltern, die in der DDR wichtige Ämter bekleideten, über seinen Start in der Politik, zunächst als SED-Mitglied, bis zur jungen Bundesrepublik und die aktuelle Bedeutung der freien Wohlfahrtspflege und des Christentums für Deutschland.
„Ich bin erst Ende der 1980er Jahre mehr in die Politik gegangen, als man Dinge verändern konnte“, so Gysi. Nach der Wende habe er es als seine Aufgabe angesehen, einen friedlichen Weg in die deutsche Einheit zu finden, auch etwa für Offiziere der Armee oder andere, die die Wiedervereinigung eigentlich ablehnten. „Letztlich hat mich immer eine Gerechtigkeitsidee durchgetragen.“
Vorstandsvorsitzende Annette Noller wies im Gespräch darauf hin, dass dieser Wunsch nach Gerechtigkeit sich auch in der Grundhaltung der diakonischen Arbeit wiederfinde. „Diakonie will gerade die Schwächeren stärken, für einsame, arme und kranke Menschen da sein. Wir haben in Deutschland mit der staatlich unterstützten freien Wohlfahrtspflege da eine besondere Situation“, so Noller. „Der Staat ist gar nicht in der Lage, die freie Wohlfahrtspflege zu ersetzen“, ergänzte Gysi und betonte, die christlichen Gebote und die Bergpredigt seien Grundlage für eine allgemeinverbindliche Moral in Deutschland.
Zur momentanen Situation in der Weltpolitik mit autoritären Regimen und der steigenden Bedrohung für Demokratie, Freiheit und Menschenwürde sagte Gysi, aus seiner Sicht sei die strikte Wahrung des Völkerrechts und gegenseitige Abrüstung die einzige Lösung für Europa.
Auf die Frage, was er dem neuen Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) nach dessen Wahl am Vortag ins Ohr geflüstert habe, verriet er: „Ich habe ihm gesagt: Mach was draus!“