Kunst ohne Grenzen: Living Museum zeigt preisgekrönte Outsider Art

Befreundete Ateliers stellen bis zum 9. Mai in Buttenhausen aus
Münsingen (vea). Die Vernissage der Werkschau „Edition 3“ lockte vergangenen Donnerstagnachmittag zahlreiche Kunstinteressierte in das Living Museum Alb in Buttenhausen. Rund 85 Besucherinnen und Besucher fanden sich zur Ausstellungseröffnung ein, die unter dem Motto „Künstler*innen aus befreundeten Ateliers zu Gast im Living Museum Alb“ Outsider Art von acht Kunstschaffenden mit Assistenzbedarf zeigt. Die Werkschau kann bis zum 09. Mai im Living Museum Alb der Bruderhaus Diakonie besichtigt werden. Beteiligt sind das Mariaberger Atelier 5, das Atelier Grafeneck der Samariterstiftung, das KreativWerk Höfingen vom Atrio Leonberg sowie die Kreative Werkstatt der Diakonie Stetten.
Kuratorin Sarah Boger bedankte sich bei den Kunstschaffenden mit Unterstützungsbedarf, deren Assistenzen und ihrem Team für die besondere Ausstellung, die das Netzwerk der Outsider Art Ateliers feiert. „Wir haben hier diese schönen Räume und wollten mit dieser Ausstellung anderen Künstlerinnen und Künstlern mit Assistenzbedarf die Möglichkeit geben, ihre Arbeiten hier auszustellen. Für unsere Klientinnen und Klienten ist es inspirierend, diese andere Art von Kunst zu sehen.“ Das Living Museum Alb verzeichnete vergangenes Jahr rund 1.600 Besucherinnen und Besucher, die hier live und in allen Farben die ganze Bandbreite der „Art Brut“, Kunst von Autodidakten, aber auch von akademisch gebildeten Künstlerinnen und Künstlern erleben können. Kunsttherapeutin Anika Hellstern vom Atelier 5 des Mariaberg e.V. freute sich über die langjährige Kooperation mit dem Living Museum: „Es ist eine große Ehre für uns, hier als befreundetes Atelier ausstellen zu dürfen.“
Für Künstler Stefan Häfner aus der Kreativen Werkstatt Stetten ist klar: „Malen macht mehr Spaß als Schaffen.“ Die Inspiration für seine großformatigen, farbenfrohen Gemälde mit Tier- und Menschendarstellungen bezieht er aus Büchern und Filmen und bannt sie mit Ölkreide auf Papier. „Das hier würde auch gut in Ihrem Wohnzimmer aussehen, über dem Sofa“, ist er sich sicher. Direkt neben seinen Bildern stehen Pappskulpturen von Fabian Nacarkahja (Atelier 5), die detailversessen technische Objekte imitieren. „Seine Werke entstehen im Prozess, die Inspiration dafür findet er in den Materialien“, beschreibt Boger die Arbeiten. Silke Bauer aus Tübingen, die die Vernissage musikalisch umrahmte, ließ sich von einer Skulptur Nacarkahjas täuschen: „Ich dachte zuerst, ich hätte mein Keyboard umsonst mitgeschleppt, wenn doch hier im Raum schon eines bereitsteht.“
Fotorealistisch sind auch die Gemälde von Annemarie Rathwallner vom Atelier Grafeneck. Eine Bildserie zeigt Kuscheltiere, die in Einmachgläser gestopft sind. Diese beschafft die studierte Künstlerin auf Flohmärkten und präpariert sie für ihre außergewöhnlichen Stillleben, die sie bis zur letzten Reflektion genau mit dem Pinsel abbildet. Aber auch an der Nähmaschine ist Rathwallner unterwegs und bestickt Stuhlkissen mit Groschenroman-Cover und feinsinnig humorvollen Sprüchen.
Petra Griesert vom KreativWerk Höfingen interessiert sich auch für das „Weiche, Flauschige“, das sich in ihren an Bleiglasfenstern erinnernden Gemälden spiegelt: „Ihre Bilder werden Teil ihrer ‚Muppchenwelt‘ – einer Welt, wo alles Schöne und Gute ein Zuhause findet“, so Sarah Boger in ihrer Laudatio.
Marco Schmitts (Atelier 5) aktuelle Leidenschaft gilt den Terrassentüren, die er wieder und wieder in seinen Kleinformaten zeichnerisch prägnant abbildet und deren Fensterchen er immer wieder mit neuem Leben füllt: mit Murmeln, Lebensmitteln oder Wetterlagen. „Sie finden, dass die Terrassentür die schönste Tür ist, die es gibt. Stimmt das?“, fragte Sarah Boger den anwesenden Künstler. Die Antwort ist ein klares Ja und sehr zum Entzücken Schmitts verfügen die Ausstellungsräume des Living Museum gleich über zwei Terrassentüren.
Der Fokus von Rolf Waldvogel vom KreativWerk Höfingen, dessen Arbeiten schon für den euward (Europäischer Kunstpreis für Malerei und Grafik im Kontext geistiger Behinderung) nominiert waren, liegt auf Ordnung und Symmetrie. „Er ist ein Mann der Präzision“, beschreibt Boger, der seine geometrisch exakten und repetitiven Muster mit Lineal und Schablonen farbenstark gestaltet.
„Deniz Aras von der Kreativen Werkstatt Stetten ist ein sehr genauer Beobachter seiner Umwelt“, so Boger. In seinen Bildern mit Erzählcharakter nutzt er neben Figurzeichnungen in Bedeutungsperspektive auch Text in seiner besonderen Handschrift, um Erlebtes zu reflektieren.
Jeremy Matona vom Mariaberger Atelier 5, „unterscheidet nicht so sehr zwischen Schrift und Bild. Alles, was Spaß macht, ist in der Kunst erlaubt“, beschreibt die Kuratorin die Zeichnungen des „Newcomers“. Diese entstehen in rascher Sequenz und regen spotlight-artig zum Schmunzeln, aber auch zum Nachdenken über Alltägliches an.
Die Ausstellenden haben teilweise hochdotierte Preise gewonnen – beispielsweise den Lothar-Späth-Förderpreis oder den Kunstpreis „so gesehen“. Die Ausstellung in der Schmiedesteige 5 in Buttenhausen ist von Montag bis Freitag von 8.30 Uhr bis 11.30 Uhr und von 13 Uhr bis 15.30 Uhr zu sehen. Für Gruppen wird um eine vorherige Anmeldung gebeten.