Der nichtinvasive Pränatal Test (NIPT)
Wie funktioniert der NIPT?
Wie funktioniert der NIPT?
- Im Blut der Schwangeren finden sich - zusätzlich zur mütterlichen DNA - auch kleinste Bruchstücke des kindlichen Erbguts. Es handelt sich um abgelöste fetale Zellen aus der Plazenta.
- Diese kindlichen Erbgut-Fragmente (sog. zellfreie DNA) werden aus einer Blutprobe der Schwangeren isoliert, vervielfältigt und dann mithilfe von Hochleistungsrechnern den einzelnen Chromosomen zugeordnet und gezählt.
- Die Zahl der fetalen DNA-Fragmente der einzelnen Chromosomen wird mit einem Referenzchromosomensatz verglichen.
- Wenn die Zahl dieser kindlichen Erbgutstücke beispielsweise des Chromosoms 21 eine bestimmte Menge übersteigt, ist die Wahrscheinlichkeit für eine Trisomie 21 (Down Syndrom) des werdenden Kindes erhöht.
- Der Test kann bereits ab der 10. Schwangerschaftswoche eingesetzt werden. Die Blutabnahme erfolgt in der gynäkologischen Praxis. Die Analyse der Blutprobe wird in den Laboren der Anbieterfirmen durchgeführt.
- Die Ärztin oder der Arzt erhält das Testergebnis. Es wird als „auffällig“ bzw. positiv oder als „unauffällig“ bzw. negativ angegeben. In wenigen Fällen ist die Blutprobe nicht auswertbar.
Der NIPT ist ein Suchtest (Screeningverfahren) auf bestimmte Merkmale.
- Der NIPT ist ein Suchtest wie z. B. das Mammographiescreening: Dieses sucht bei möglichst vielen Frauen ohne diagnostizierten Brustkrebs nach denjenigen, bei denen es einen Hinweis auf einen Tumor gibt.
- So funktioniert auch der NIPT: Er sucht bei Schwangeren – bei allen oder einer bestimmten Gruppe - nach denjenigen, deren Kind bspw. eine Trisomie 21 hat oder nicht.
- Das Testergebnis eines Suchtests lautet: auffällig oder nicht auffällig. Ein auffälliges Testergebnis, also im Falle des Mammographiescreenings ein Verdacht auf Brustkrebs, wird anschließend durch diagnostische Verfahren bestätigt oder ausgeräumt.
- Ein auffälliges Testergebnis beim NIPT muss vor der Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch ebenfalls diagnostisch durch eine invasive Untersuchung abgeklärt werden.
Was kann der NIPT und was kann er nicht?
Was kann der NIPT?
Der Bluttest ist eine technische Innovation. Er hat ein potentiell kaum begrenztes Leistungsspektrumund ist ein (weiterer) Schritt zur Entschlüsselung der gesamten Erbanlagen des werdenden Kindes. Aktuell (Stand: 059/2023) sucht der Test
- nach den Trisomien 13, 18 und 21,
- nach Veränderungen bei den Geschlechtschromosomen (z.B. Turner-Syndrom oder Klinefelter-Syndrom)
- nach bekannten (seltenen) Syndromen wie z. B. DiGeorge-Syndrom, Prader-Willi-Syndrom, Angelmann-Syndrom, Cri-du-Chat-Syndrom
Die Labore und Herstellerfirmen forschen unter Hochdruck an weiteren Tests. In Erprobung sind Tests auf Krankheiten, die erst im Erwachsenenalter ausbrechen können (z.B. Chorea Huntington), auf Anlageträgerschaften von Erbkrankheiten, die sich erst in der übernächsten Generation manifestieren können oder auch auf auf Dispositionen für Krankheiten wie Diabetes, erblicher Brustkrebs, Alzheimer etc..
Der NIPT wird in naher Zukunft den werdenden Eltern eine Überfülle an Wissen über kleinste genetische Veränderungen bei ihrem Kind bereitstellen, deren Auswirkungen kaum oder noch nicht bekannt sind und bei denen die Ärztinnen und Ärzte ihrer Aufklärungspflicht kaum noch werden nachkommen können.
Wie sollen die werdenden Eltern ein solches Wissen verkraften oder gar eine Entscheidung für oder gegen ihr werdendes Kind treffen können? Pränataldiagnostiker prognostizieren, dass der Gesetzgeber womöglich eine Pflicht der Eltern auf Nichtwissen regeln müsse, zumindest für die Krankheiten oder Behinderungen, die erst im späteren Leben des Kindes ausbrechen können. (Henn/Schmitz 2012: Pränataldiagnostik: Paradigmenwechsel)
Was kann er nicht?
Der Test hat eine höhere Aussagekraft als andere nichtinvasive Untersuchungen wie z. B. das Ersttrimester-Screening, vor allem für die Trisomie 21 (Down-Syndrom) und - abgeschwächt - auch für die Trisomien 13 und 18.
ABER: Der Test ist eine statistische Wahrscheinlichkeitsberechnung, keine Diagnose.
- Testergebnisse können auch falsch sein (siehe Information: Wie verlässlich ist ein auffälliges Testergebnis für die einzelne Schwangere?)
- Auffällige Testergebnisse müssen vor einem Schwangerschaftsabbruch durch eine invasive Untersuchung abgeklärt werden, so die medizinischen Fachgesellschaften.
- Der Test ersetzt also nicht grundsätzlich die invasiven Untersuchungen wie die Fruchtwasseruntersuchung bzw. Chorionzottenbiopsie.
Der NIPT als Kassenleistung – und die Folgen.
Wer bekommt den NIPT als Kassenleistung?
Der NIPT auf die Trisomien 13, 18 und 21 wird seit Juli 2022 von den gesetzlichen Krankenkassen finanziert.
Der Gemeinsame Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen (G-BA) hat in seinem Beschluss die medizinische Indikation für den kassenfinanzierten Test – entgegen der Ankündigungen – sehr weit gefasst:
- Weder ein bestimmtes Alter der Schwangeren noch eine bestimmte Risikoschwelle wie beim Ersttrimester-Screening sind Voraussetzungen für die Kassenfinanzierung des NIPT.
- Vielmehr ist die individuelle Situation der Frau und ihre subjektive Angst vor einem Kind mit Behinderung allein ausschlaggebend für die medizinische Indikation für den NIPT und damit für die Kassenleistung.
Welche Folgen wird dieser Beschluss haben?
Faktisch wird der kassenfinanzierte Test in erster Linie ein Suchtest auf das Down-Syndrom sein.
Dafür gibt es vor allem zwei Gründe:
- Der NIPT hat für die Trisomie 21 die höchste Aussagekraft hat. Für die Trisomien 13 und 18 ist er nicht „robust schätzbar“ (Abschlussbericht 2018 des IQWiG).
- Dazu kommt, dass er für die Trisomien 13 und 18 medizinisch nicht erforderlich ist, weil im Ultraschall bereits deutliche Hinweise auf Trisomien 13 oder 18 erkennbar sind, die durch invasive Untersuchungen abgeklärt werden können und nicht durch eine weitere Wahrscheinlichkeitsberechnung.
- Weil die medizinische Indikation für die Kassenfinanzierung allein auf die Angst der Schwangeren abzielt, ist ein anlassloses Screening auf Trisomien bei allen Schwangeren zu befürchten. Medizinische Fachgesellschaften und ärztliche Berufsverbände prognostizieren daher, dass ca. 70 Prozent der 700.000 Schwangeren in Deutschland den kassenfinanzierten NIPT nutzen werden. Die Solidargemeinschaft der Versicherten wird also die flächendeckende Suche nach dem Down-Syndrom finanzieren!
- Dazu kommt: Die hohe Zahl an Schwangeren, die den Test nutzen werden, hat zusätzlich noch problematische Folgen für die Aussagekraft des Tests bei der einzelnen Schwangeren: Je jünger die Schwangere ist, desto höher ist die statistische Wahrscheinlichkeit für ein falsch-positives Ergebnis (siehe Information zur Frage: Wie verlässlich ist ein auffälliges Testergebnis beim NIPT für die einzelne Schwangere?). Mögliche Folgen sind: Viele Schwangere werden durch ein falsch-positives Testergebnis in Angst und Schrecken versetzt, sie werden möglicherweise vermehrt eine mit einem Eingriffsrisiko behaftete invasive Abklärung vornehmen und/oder sie werden in Panik einen Schwangerschaftsabbruch innerhalb der 12-Wochen-Frist erwägen.
Der NIPT ist ein ethisch und gesellschaftspolitisch umstrittener Test. Wir sagen…
Der Flyer (PDF) zum nicht invasiven Pränataltest gibt Auskunft über unsere Position als Diakonie Württemberg gegen die Kassenfinanzierung des NIPT auf die Trisomien 13, 18 und 21 und fasst unsere Gründe dafür kurz und knapp zusammen.
Wir haben uns als Diakonie Württemberg und auch gemeinsam mit einer Reihe anderer Verbände und Organisationen und Initiativen in Stellungnahmen und Pressemeldungen zu Wort gemeldet.
In unserem Positionspapier (PDF) „Warum wir uns gegen eine Kassenzulassung des nichtinvasiven Pränataltests auf Trisomie 21 und weitere Trisomien aussprechen!“ erläutern wir anhand der Argumente der Befürworter und Befürworterinnen unsere Haltung.
Weitere Informationen – u.a. unsere Stellungnahme zum ersten Entwurf für die Versicherteninformation zum NIPT, vertiefende Fachartikel zum NIPT z.B. in der Deutschen Hebammenzeitung - finden Sie im Fachkräfteportal der Pua-Fachstelle unter dem Stichwort Veröffentlichungen.
Wie verlässlich ist ein auffälliges Testergebnis beim NIPT für die einzelne Schwangere?
Die Testgüte des NIPT wird mit den Kennziffern Sensitivität und Spezifität angegeben. Sie sind beim NIPT für die Trisomie 21 – und abgeschwächt auch für die Trisomien 13 und 18 – sehr hoch.
Diese Kennziffern sagen jedoch noch nichts darüber aus, wie hoch die statistische Wahrscheinlichkeit ist, dass die einzelne Schwangere mit einem auffälligen Testergebnis bspw. für die Trisomie 21 auch tatsächlich ein Kind mit Trisomie 21 erwartet.
Entscheidend für die Schwangere - und ihre Ärztin bzw. ihren Arzt – ist der sog prädiktive Vorhersagewert:
- Er berechnet, wie hoch die statistische Wahrscheinlichkeit ist, dass ein auffälliges Testergebnis auch tatsächlich richtig- positiv ist.
- Dieser Vorhersagewert kann bei der einzelnen Schwangeren stark abweichen von den Angaben zur Sensitivität bzw. Spezifität des NIPT.
Das bedeutet: Ein auffälliges Testergebnis des NIPT kann auch falsch-positiv sein, obwohl der Test eine prinzipiell hohe Trefferquote hat.
Warum das so ist, wie sich die Testgüte des NIPT und dieser prädiktive Vorhersagewert voneinander unterscheiden, wie zuverlässig ein auffälliges Testergebnis im Einzelfall tatsächlich ist und warum jedes auffällige Testergebnis vor der Entscheidung für einen Schwangerschaftsabbruch diagnostisch abgeklärt werden muss, das erfahren Sie in der folgenden Datei. Sie enthält auch eine tabellarische Übersicht über den prädiktiven Vorhersagewert zu den Trisomien 13,18, und 21 nach dem Alter der Schwangeren.
Video-Statements zum NIPT als Kassenleistung
Dr. Christine Nietschke (Fachärztin für Gynäkologie und Geburtshilfe Pforzheim)
Gabriele Holzwarth (Schwangerenberaterin Kreisdiakonieverband Ludwigsburg)
Daniela Rinderknecht (Referentin PUA-Fachstelle)
Pfarrer Thomas Maier (Direktor Ev. Missionsschule Weissach)