29. Juni 2023

Migrationsjahrestagung der Diakonie: „Mit einem neuen Gesetz ist es nicht getan“

Fachkräfteeinwanderung braucht Integrationsförderung, Bürokratieabbau und ausreichend ausgestattete, qualifizierte Beratungsstrukturen

Bad Herrenalb/Stuttgart, 29. Juni 2023. Das vom Bundestag am 23. Juni 2023 verabschiedete neue Fachkräfteeinwanderungsgesetz bringe zwar einzelne Verbesserungen, es bedürfe vor allem aber eines Bürokratieabbaus und effiziente bürgerfreundliche Verfahren, damit internationale Fachkräfte nach Deutschland kommen können und wollen. Welche Maßnahmen zusätzlich notwendig seien, dazu haben die Diakonie Baden und Württemberg bei ihrer Migrationsjahrestagung konkrete Ansätze vorgestellt. 

„Wir müssen uns über die fehlende Attraktivität Deutschlands für internationale Fachkräfte nicht wundern, wenn Fachkräfte mehr als ein Jahr lang auf ein Visum warten, überlastete Ausländerbehörden im Land nicht erreichbar sind und die Betroffenen viele Monate auf die Anerkennung ihrer mitgebrachten Berufsqualifikationen warten müssen“, betont Jürgen Blechinger, Migrationsrechtsexperte beim Diakonischen Werk Baden. „Um hier voranzukommen, brauchen wir einen ganzheitlichen Ansatz“, ergänzt Matthias Rose, sein Kollege vom Diakonischen Werk Württemberg. „Wir müssen die zu uns kommenden Menschen mit ihren Familien von Anfang an umfassend begleiten und unterstützen beim erfolgreichen Ankommen in Deutschland; nur so kann Integration gelingen.“ Dazu brauche es eine gute Deutschsprachförderung, ein besser aufgestelltes Bildungssystem und eine qualifizierte Begleitung der Einwanderungsinteressierten – schon vor der Einreise. Das Thema Gewinnung und Integration von internationalen Fachkräften bezieht sich nicht nur auf die Neueinreise von potenziellen Fachkräften. Genauso müssten auch die Menschen mit ihren unterschiedlichen Kompetenzen und beruflichen Hintergründen im Blick sein, die aus anderen Gründen nach Deutschland gekommen sind, zum Beispiel als Geflüchtete.

Das Gesetz als Grundlage ist nun geschaffen, doch wird der darin vorgesehene Prozess in der Praxis funktionieren? Was sollten Behörden, Arbeitgeber und Visastellen bedenken und umsetzen? Was brauchen (angehende) Fachkräfte, damit das Arbeiten und Leben in Deutschland gelingt? Diese Fragen standen bei der Migrationsjahrestagung der Diakonie Baden und Württemberg im Mittelpunkt. Es sind dort fast 90 Expertinnen und Experten aus der Beratungspraxis der diakonischen Einrichtungen mit Fachleuten aus Wissenschaft, Politik, Recht und Behörden in Bad Herrenalb zusammengekommen.

Einig war man sich darüber, dass ein modernes Einwanderungsrecht eine gute Grundlage für die Gewinnung und die Integration von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Ländern darstelle. Doch brauche es in Deutschland und in den Heimatsstaaten eine gute Begleitstrategie, sinnvolle Verfahren und ineinandergreifende Zusammenarbeit aller beteiligten Stellen, damit Betrieb und Arbeitnehmerinnen oder Auszubildende zusammenfinden und vor allem bleiben. 

Damit Deutschland als Einwanderungsland attraktiv sei, benötige es jedoch vor allem bessere Rahmenbedingungen für einen gelingenden Integrationsprozess. Die Experteninnen und Experten aus den Migrationsberatungsstellen erlebten in der Praxis viele Hemmschuhe, die eine schnelle erfolgreiche Integration von internationalen Fachkräften und ihren Familien behindern. So müssten viele Zuwanderer bis zu einem Jahr warten, um einen Integrationskurs beginnen zu können. Damit gehe wertvolle Zeit verloren, um schnell auf ein hohes qualifiziertes Deutschniveau zu kommen. Hier kann der Bund nach Meinung der Migrationsexpertinnen und -experten Einiges verbessern. Ebenso müssten die vom Bund finanzierten Migrationsberatungsstellen in ihrer Funktion gestärkt werden statt neue Parallelstrukturen aufzubauen.

Hintergrund
Ende des Jahres soll das neue vom Bundestag verabschiedete Fachkräfteeinwanderungsgesetz in Kraft treten. Damit sollen internationale Fachkräfte für eine qualifizierte Arbeit oder Ausbildung leichter einreisen können Denn: In vielen Branchen herrscht großer Mangel an Facharbeitern und Akademikerinnen.