Ein Detektiv mit Gespür für Ordnung

Papier, Papier, Papier: Unterschiedlich hohe Stapel mit Unterlagen türmen sich auf dem Schreibtisch von Günter Beck. Mahn- und Vollstreckungsbescheide, Kontoauszüge, Kreditverträge, unbezahlte Rechnungen und Bußgeldbescheide finden sich darunter. Ebenso Briefe von Inkassobüros, die Forderungen beizutreiben versuchen. Im Ton sachlich, mal schmeichelnd, mitunter drohend. Diese Berge an Papier lassen viele Klientinnen und Klienten der Schuldnerberatung des Kreisdiakonieverbands (KDV) Ludwigsburg verzweifeln. Viele haben längst den Überblick über ihre finanzielle Situation verloren.

Auch für den ehrenamtlichen Mitarbeiter der Schuldnerberatung Günter Beck ist das Sortieren und Ordnen „eine Herausforderung“. Aber eine, die er seit fast zehn Jahren annimmt. Und das gerne. „Ich bin ein Büromensch“, sagt der 67-jährige Sachsenheimer mit einem Augenzwinkern. Ordnung ins Chaos zu bringen verschafft dem gelernten Bankkaufmann innere Zufriedenheit. Langweilig findet er es nicht, die Gläubiger nach Alphabet zu sortieren, Akten anzulegen und die Forderungen und Rückläufe von Serienbriefen am Computer in ein spezielles Software-Programm einzugeben. „Manchmal ist es mit Detektivarbeit verbunden“, sagt er, etwa wenn unklar sei, ob sich hinter zwei Forderungen nicht doch nur eine verberge. Oder wenn es fraglich ist, wer eigentlich der Gläubiger ist – der kann durchaus wechseln, wenn die Forderung an ein anderes Inkassounternehmen verkauft wird.

Wie viele Papierberge er im Lauf der Jahre bewegt hat, vermag er nicht zu sagen. Ein Fall mit über 100 Gläubigern ist ihm im Gedächtnis haften geblieben – eine absolute Ausnahme. Aber es gibt ihn tatsächlich, wenn auch selten, den Wäschekorb oder den Müllsack mit einem Haufen Rechnungen, den Klienten mitbringen – ebenso wie den bereits akkurat angelegten Aktenordner. Die Papierberge erzählen von teils bewegenden Schicksalen. Krankheit, Unfall, Arbeitslosigkeit, Scheidung – und plötzlich gerät ein vorher geordnetes Leben ins Wanken,  Schuldenberge türmen sich auf. „In dieser Breite hatte ich das nicht erwartet“, sagt der frühere Filialleiter einer Bank. Und: „Das hätte mir auch passieren können. Ich habe viel Glück gehabt in meinem Leben.“ Deshalb wolle er der Gesellschaft etwas zurückgeben. „Ich will die hauptamtlichen Schuldnerberaterinnen und Schuldnerberater unterstützen, damit sie mehr Zeit für die Beratung haben“, sagt er über die stille Arbeit im Hintergrund in Vaihingen an der Enz oder am zweiten Standort der Schuldnerberatung in Bietigheim-Bissingen. Eigene Fälle übernehmen wollte er nie. „Ich könnte die Bandbreite an Beratung nicht leisten“, sagt er.  

Auf die Idee, sich ehrenamtlich in der Schuldnerberatung zu engagieren, hat ihn ein Freund gebracht: „Das wäre doch was für Dich.“ Gesagt, getan: Günter Beck fragte in der Diakonischen Bezirksstelle in Vaihingen an – und nach einem Ehrenamtskurs gehörte Günter Beck dort zu den ehrenamtlichen Pionieren in der Schuldnerberatung. Zwei weitere Mitarbeiter, ein Mann und eine Frau, gehören zum Ehrenamts-Team in der Schuldnerberatung, die ebenfalls die hauptamtlichen Schuldnerberater tatkräftig unterstützen. Dazu kommt noch ein Elektriker-Meister im Ruhestand, der eine Energiesparberatung anbietet sowie eine ehrenamtliche Steuer- und Rechtsberatung. „Wir sind sehr dankbar für ‚unsere‘ Ehrenamtlichen“, sagt Georg Voigtländer“, der Fachbereichsleiter Schuldnerberatung im KDV, „was sie in ihrer Freizeit leisten, ist sehr wertvoll für uns und unsere Klientinnen und Klienten.“

Günter Beck, der vielseitig Interessierte, der es schätzt, „über den eigenen Horizont hinauszugucken“, wendet sich der nächsten Akte und dem nächsten Papierberg auf dem Schreibtisch zu. Er hört nebenbei wie so oft, im Radio die Sendung SWR 1 Leute. Die Arbeit, so viel steht fest, wird nicht ausgehen. „Solange ich es machen kann, ist es gut“, sagt er. Spricht’s und fängt an, Ordnung ins Chaos zu bringen.   

Autorin Sonja Henning ist Schuldner- und Insolvenzberaterin beim Kreisdiakonieverband Ludwigsburg und dort zuständig für die Ehrenamtskoordination. Sie schätzt die breite Palette der Angebote und das außerordentliche Engagement der Ehrenamtlichen.

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