Zwischen Offenheit und neuen Stigmata

Junge Menschen brauchen verlässliche Hilfen für ihre seelische Gesundheit
Eine gesicherte wohnortnahe psychosoziale Versorgung junger Menschen fordert die Diakonie Württemberg anlässlich des Tags der Seelischen Gesundheit (10. Oktober).
„Kinder und Jugendliche sind durch die Folgen der Corona-Pandemie, aber auch durch Ängste etwa vor Krieg oder Klimaveränderungen psychisch belastet. Sie brauchen leicht zugängliche und gesicherte Unterstützung, um gesund aufwachsen und leben zu können“, sagt Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg.
Gleichzeitig stellen diakonische Beratungsdienste und Einrichtungen fest, dass junge Menschen offener als früher über ihre psychische Gesundheit sprechen - in Freundeskreisen, Schulen oder über soziale Medien. Viele teilen Erfahrungen und klären auf. Begriffe, die bislang ausschließlich im therapeutischen Kontext benutzt wurden, finden Eingang in die Alltagssprache. Gründe dafür sind, dass prominente Vorbilder und Influencerinnen eigene Erkrankungen publik machen und soziale Medien Räume für Austausch und Solidarität bieten. Auch thematisieren Schulen und Jugendhilfeeinrichtungen seelische Gesundheit häufiger.
„Diese Offenheit kann allerdings auch dazu führen, dass Menschen mit psychischen Erkrankungen stigmatisiert werden“, ergänzt Dr. Kornelius Knapp, Vorstand Sozialpolitik der Diakonie Württemberg. Betroffene erlebten abwertende Kommentare und Ausgrenzung. Gerade junge Menschen berichteten, dass sie zwar leichter über ihre Sorgen sprechen können, gleichzeitig aber schnell in Schubladen gesteckt würden – etwa als „zu sensibel“, „nicht belastbar“ oder „um Aufmerksamkeit heischend“ gelten. Das könne zur Folge haben, dass ihre Not nicht ernst genommen wird. Hierfür müsse man aufmerksam sein.
Für die Diakonie Württemberg ist die seelische Gesundheit, vor allem auch junger Menschen, kein Trendthema, sondern gesellschaftliche Aufgabe. „Wir setzen uns konsequent gegen Stigmatisierung und Vorurteile ein und engagieren uns dafür, psychische Erkrankungen in Schule, Ausbildung und Öffentlichkeit zu thematisieren. Hinter jeder Diagnose steht ein Mensch, der ernst genommen und unterstützt werden muss“, so die Vorstandsvorsitzende der Diakonie Württemberg Annette Noller.
Hinweise: Die seelische Gesundheit junger Menschen steht im Fokus der diesjährigen Woche der Seelischen Gesundheit. Die fünfte Befragung der COPSY-Studie, die die Auswirkungen der Corona-Pandemie auf junge Menschen untersucht, zeigt deutlich: Kinder und Jugendlichen sind aktuell noch immer psychisch stärker belastet als vor der Pandemie.
Die Woche der Seelischen Gesundheit steht unter dem Motto „Lass Zuversicht wachsen – Psychisch stark in die Zukunft” und findet vom 10. bis 20. Oktober in ganz Deutschland statt.