Digitalisierung – Unsere Forderungen und Bewertung des Koalitionsvertrags

Mehr Digitalisierung führt zu mehr Digitalisierungsverlierern. Dazu gehören beispielsweise arme Familien, geringqualifizierte Menschen und Menschen mit unterschiedlichen Einschränkungen. Es gilt, die digitale Spaltung der Gesellschaft aufzuheben und gerade Älteren, sozial Benachteiligten und Hilfebedürftigen Zugang zu digitalen Angeboten zu ermöglichen.

1. Digitale Inklusion

Die Digitalisierung birgt Risiken. Es entstehen andere Ausgrenzungen und neue Barrieren. Von Armut betroffene Familien und Alleinstehende sowie Menschen mit Assistenzbedarf dürfen nicht von der Teilhabe an der digitalen Gesellschaft und Bildung ausgeschlossen werden. Das hat insbesondere die Corona-Krise deutlich gemacht. Arme Menschen müssen deshalb bei der Ausstattung mit notwendigen Geräten und Zugängen unterstützt werden. Menschen mit Assistenzbedarf brauchen Förderung bei der Ausstattung mit digitaler Hard- und Software für Kommunikation, Bildung und Arbeit aber auch Ambient Assisted Living-Lösungen. Digitale Inklusion muss künftig auch bei der öffentlichen Gesundheitsvorsorge ermöglicht werden. Der Zugang zu medizinischen und sozialen Hilfeleistungen für hilfebedürftige Menschen muss auch durch digitale Infrastrukturen abgesichert sein. Wird all das berücksichtigt, wird Digitalisierung auch für diese Menschen nicht zum Risiko, sondern zur Chance.

Bewertung Koalitionsvertrag 2021-2026

Explizit genannt werden im Vertrag:

  • Digitale Beteiligung von Geflüchteten über WLAN-Versorgung in den Sammelunterkünften. Die Diakonie Baden-Württemberg begrüßt, dass dies so konkret benannt ist und hier auch alle Ebenen in den Blick genommen werden. Das wurde bisher von Seiten des Landes immer an die unteren Verwaltungsebenen zurückgegeben.
  • Aufbau von barrierefreien, digitalen und mehrsprachigen Zugängen zu Behörden: Dies ist unbedingt zu begrüßen. Auch eine Vereinheitlichung der Dokumentenarten wäre hier zu begrüßen.
  • Im Zuge der Registermodernisierung soll geprüft werden, inwieweit Service BW den Bürgerinnen und Bürgern transparent darstellen kann, welche Daten über sie wo gespeichert sind und auf ihren Antrag hin zwischen welchen Behörden ausgetauscht werden.

Dieses Vorhaben ist sehr zu begrüßen, wenn es denn funktionierend eingerichtet werden kann. Besonders bei den Übergängen SGB II/SGB XII werden nach wie vor keine Daten ausgetauscht, ebenfalls bei Übergang SGB II zu Wohngeldleistungen. Hier kommt es teils zu verheerenden Missständen für die Menschen und zu finanziellen Krisen.

2. Digitalisierung in der Sozialwirtschaft

Digitalisierung und Innovationen kosten. Der Aufwand zur Schaffung einer digitalen Infrastruktur und digitaler Lösungen ist seitens der Kostenträger grundsätzlich aber kein vergütungsrelevanter Bestandteil. Der Aufwand für Forschung und Entwicklung kann nur aus Eigenmitteln finanziert werden und bedarf daher neuer Konzepte zur Finanzierung. Die Sozialwirtschaft benötigt politische Entscheidungen, die es ihr ermöglichen, die notwendige Digitalisierung voranzutreiben.

Gespräch mit Dr. Robert Bachert, Finanzvorstand der Diakonie Württemberg, zu dieser Forderung:

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Bewertung Koalitionsvertrag 2021-2026

Sehr zu begrüßen ist das Bekenntnis der Landesregierung: „Wir wollen Digitalisierung für alle Lebensbereiche stärker nutzbar machen. Deshalb werden wir – neben dem Gesundheits- und Pflegesektor – die Sozialwirtschaft in ihrer Gesamtheit stärker in Digitalisierungsvorhaben des Landes einbeziehen und die Transformation hin zu einer Sozialwirtschaft 4.0 unterstützen. Denn eine starke Sozialwirtschaft trägt maßgeblich zu einer sozialeren und chancengerechteren Gesellschaft bei. Dabei gilt es, besonders neue Formen der Kommunikation sowie die digitale Anbindung und Vernetzung der unterschiedlichen Akteure und Schnittstellen in den Blick zu nehmen und ihren Ausbau zu fördern.“ Die Breitbandinfrastruktur ist Aufgabe der öffentlichen Daseinsvorsorge.

3. Weiterbildung und digitale Kompetenzen

Die Corona-Krise hat deutlich gemacht, wie wichtig digitale Kompetenzen sind. Dies wird in Zukunft noch zunehmen. Durch die Krise entstanden Innovationen und Ansätze zur Kollaboration, die vorher unbekannt oder mit Angst behaftet waren. Benachteiligte Menschen müssen beim Erwerb digitaler Kompetenzen unbedingt gefördert werden, um sie in Zukunft nicht noch weiter abzuhängen. Zur Förderung der digitalen Selbstentwicklung benachteiligter Menschen in Baden-Württemberg müssen ihnen Vernetzungs- und Lernwege durch geeignete Netzwerke und Plattformen vermittelt werden. Nur so kann ihr Kompetenzniveau weiterentwickelt werden. Diese Kompetenz ist entscheidend für den Erfolg digitaler Inklusion und damit für den gesellschaftlichen Zusammenhalt. Der digitale Wandel setzt einen Kulturwandel voraus. Hierfür ist es wichtig, dass möglichst viele Menschen auf digitale Inhalte barrierefrei zugreifen können. Bevor neue Systeme eingerichtet werden, sollten die Bedürfnisse der Menschen bedacht werden. An sie sollen die technischen Rahmenbedingungen angepasst werden, nicht umgekehrt. Hier muss ein Umdenken stattfinden. Außerdem ist zu beachten, dass die Digitalisierung ein sich stetig wandelnder Prozess ist, der eine regelmäßige Aktualisierung des Knowhows und technische Anpassung voraussetzt.

Bewertung Koalitionsvertrag 2021-2026

Es sollen Programme geprüft werden, mit denen Langzeitarbeitslose, die früher vom Instrument „Teilhabe am Arbeitsmarkt“ profitiert haben, bedarfsgerecht für die digitale Arbeitswelt qualifiziert werden. Dies ist zu begrüßen.


Zu weiteren digitalisierungspolitischen Vorhaben der Landesregierung, die den sozialen Bereich betreffen:

Die Landesregierung plant, Effizienz durch automatisierte Entscheidungen zu steigern.

Hier könnte eine weitere Benachteiligung der Menschen liegen, die keine Zugänge zu digitalen Medien haben, Sprachbarrieren aufzeigen oder keine digitalen Kenntnisse haben.

Die Behindertenhilfe/Eingliederungshilfe hat unter dem Aspekt Digitalisierung leider noch wenig Berücksichtigung gefunden. Die Gefahr, dass manche Zielgruppen bei der Digitalisierung abgehängt werden, sollte von der Landesregierung erkannt und als Herausforderung ernst genommen werden. Diese Erkenntnis ist nicht ausreichend ersichtlich, hier muss die Diakonie weiter für digitale Inklusion streiten.