30. Juni 2022 News

Schätze und Früchte

„Ich frage inzwischen nicht mehr: ‚Wie geht es Ihnen?‘, sondern: ‚Wie fühlen Sie sich heute?‘ Und schon sind wir beim momentanen Empfinden meines Gegenübers und mitten in einem intensiven Gespräch, in dem sich meine Gesprächspartnerin verstanden und wertgeschätzt fühlt. Gemeinsam versuchen wir zu erspüren, was sie im Moment am dringendsten braucht: Trost, Zuhören, das Äußern ihrer Wut oder einfach einen Menschen, der es bei ihr und mit ihr aushält.“ So fasst eine Teilnehmerin des Seelsorgekurses für Mitarbeitende der Diakonie in Betreuung und Pflege ihre wichtigsten Erkenntnisse nach insgesamt neun Kurstagen zusammen. Denn: pflegt man normalerweise auf die Frage „Wie geht es Ihnen heute?“ schwäbisch sparsam mit „guat“ zu antworten, so lernte man im Kurs, präzise die eigenen Gefühle zu beschreiben, denn nur, wer die eigenen Gefühle erspürt, kann auch die Gefühle anderer Menschen wahrnehmen und für die Seele sorgen.

Die Ausbildung hatte im Januar begonnen und nach neun intensiven Schulungstagen mit der Verleihung der Zertifikate ihren feierlichen Abschluss gefunden. Insgesamt elf Mitarbeitende aus Betreuung und Pflege nahmen an diesem Seelsorgekurs teil. Sie arbeiten in einem palliativ Care Team, in der Sozialpsychiatrie, der ambulanten oder stationären Altenpflege, bei Diakonie-Sozialstationen oder in der Tagespflege als Betreuungsassistentinnen, Pflegekräfte, Pflegedienstleitungen und Ergotherapeutinnen.

Die Leitung hatten Pfarrer Jochen Schlenker, Lehrsupervisor und Systemischer Berater sowie Pfarrerin Claudia Krüger, Referentin in der Abteilung Theologie und Bildung im Diakonischen Werk.

In ihren Tätigkeiten sind die Teilnehmenden oft mit großen und schweren Gefühlen konfrontiert. Gleichzeitig tun sie einen kostbaren und sinnvollen Dienst, geschieht diakonisches Handeln und gelebte Nächstenliebe, die in Echtheit, liebevoller Zuwendung und im Aufspüren von Hoffnung ihren Ausdruck findet und die geprägt und einzigartig wird durch die jeweilige Persönlichkeit der Seelsorgerin und des Seelsorgers.

Gemeinsam mit den Gästen aus ihren jeweiligen Einrichtungen betrachteten die Feiernden bunte Früchte, die die Inhalte der Ausbildung symbolisierten: Reden und Zuhören, Umgang mit Krisen und mit der Frage nach dem Warum, Beten und Segnen, die eigene Biographie und Spiritualität, Kommunikationsmodelle, Gesprächshaltungen, Rollenverständnis, Umfeld der Seelsorge in der eigenen Einrichtung oder den Umgang mit religiöser Vielfalt. Auch Selbsterfahrung, Abschiedsrituale, Seelsorge bei Menschen mit Demenz waren wichtige thematische Inhalte. Jeder Kurstag begann mit einem Impuls der Kursleitung und endete mit einem Wort auf den Weg, das die Teilnehmenden sorgsam ausgewählt hatten. Am meisten, so die Meinung der Teilnehmenden, lernten sie bei den Gesprächsprotokollen, die sie einbrachten und die gemeinsam analysiert und besprochen wurden.

Schließlich gaben die Teilnehmenden berührende Einblicke in die „Schatzkästlein“ ihrer gesammelten Erfahrungen und machten diese anschaulich in Symbolen wie Gebetskette, Gesangbuch , Feder, Engel, Ginkoblattkette oder farbigen Bildern, die Gefühle der Menschen symbolisierten. Alle sind sich einig: „Seelsorge braucht viel Herz und viel Zeit!“ Und so sind dann auch in den Schätzkästchen immer wieder Sand- oder andere Uhren zu finden und Herzen in allen Größen und Farben.

Durch die Ausbildung ist es möglich, die Teilnehmenden mit einem Seelsorgeauftrag in einer diakonischen Einrichtung zu betrauen. Menschen mit so viel Herz und Idealismus stärken das diakonische Profil Ihrer Einrichtungen und sind ein Segen für die Menschen, die dort umsorgt werden. Die Abteilung Theologie und Bildung versucht die Voraussetzungen zu schaffen, um im neuen Jahr wieder einen Seelsorgekurs anbieten zu können.