18. Juli 2018 News

"Einander besser verstehen können" – Islamische Perspektiven auf den Lebensanfang

Welche Bedeutung hat das Angebot der Pränataldiagnostik für muslimische Frauen? Was bedeutet ein auffälliger Befund? Und wie leben Familien mit einem behinderten Kind? Diese und weitere Fragen wurden im Interdisziplinären Fachforum „Islamische Perspektiven auf den Lebensanfang“ im Hospitalhof Stuttgart diskutiert. Eingeladen hatten die Pua-Fachstelle des Diakonischen Werks Württemberg und das Evangelische Bildungszentrum Hospitalhof Stuttgart.

Dr. Abdelmalek Hibaou

Rund 60 Teilnehmerinnen und Teilnehmer folgen aufmerksam dem Vortrag von Dr. Abdelmalek Hibaou, Professor am Zentrum Islamische Theologie der Universität Tübingen. Sie sind Hebammen, Schwangerschaftsberaterinnen, Ärzte und Ärztinnen Klinikseelsorgerinnen und andere, die in ihren Tätigkeiten Kontakt zu muslimischen Schwangeren und Familien haben. Um kulturelle Missverständnisse zu vermeiden, differenziert und erklärt Hibaou zwischen religiösen und kulturellen Vorstellungen. Es gebe nicht die „eine“ islamische Perspektive, oft gehe es um eine kulturelle Tradition. So werde Krankheit oder Behinderung im Volksmund als Strafe Gottes gesehen, der Koran hingegen spreche von Krankheit als Vergebungsmaßnahme, „Sühne für Verfehlungen“, oder Prüfung Gottes. Wichtig sei, so Hibaoui, eine „interkulturelle Kompetenz“ sowie die Bereitschaft, dem Anderen auf Augenhöhe zu begegnen.

Gespräche mit Expertinnen aus der Praxis

Im zweiten Teil des Forums stand der Austausch im Vordergrund. Claudia Heinkel, Leiterin der Pua-Fachstelle des Diakonischen Werkes, moderierte Gespräche mit vier Expertinnen aus der Praxis. So stellte Aysel Özdemir, islamische ehrenamtliche Seelsorgerin am Klinikum Stuttgart, mit den Erfahrungen aus ihrem Berufsalltag fest: „Viele Frauen fühlen sich erst verstanden, wenn man ihre Sprache spricht.“ Ein Ausbau der islamischen Seelsorge sei nötig.

Für Karima Azemal, Hebamme am Klinikum Esslingen und Familienhebamme in der Schwangerschaftsberatungsstelle der Caritas Reutlingen, ist es wichtig, dass verschiedene Kulturen sich gegenseitig erklären. Azemal selbst ist Reutlingerin mit arabischem Migrationshintergrund: „Eine Vertrauensbasis zur schwangeren Frau ist wichtig. Dass man sich immer wieder neu auf die Situationen einlässt und Interesse zeigt.“ Gebe es Sprachbarrieren, komme auch der Körpersprache in der Begleitung schwangerer Frauen eine besondere Bedeutung zu. Dem Gegenüber sei zu signalisieren: „Ich nehme dich wahr“.

Helin Brenner, Naime Yildrim, Claudia Heinkel, Aysel Özdemir und Karima Azemal (von links)

Naime Yildirin, Inklusionsbotschafterin in Esslingen im Projekt „Mittendrin statt nur dabei“ sowie Mutter einer Tochter mit besonderem Förderbedarf, fordert „sanfte statt harter Aufklärung“ von Seiten der unterschiedlichen Fachkräfte. Dies bedeute, den Eltern schwierige Diagnosen mit Empathie zu vermitteln. Man müsse in erster Linie das Kind sehen und nicht die Diagnose. Nötig sei die Informationsvermittlung und Aufklärung auch darüber, welche Hilfen und Rechtsansprüche Eltern mit einem besonderen Kind hätten.

„Familien mit Migrationshintergrund, die ein Kind mit Behinderung haben, sind doppelt belastet: Als Migranten und aufgrund der Behinderung des Kindes“, stellt Helin Brenner fest. Sie ist Projektleiterin von „Mittendrin statt nur dabei“, das Familien durch Information und Aufklärung sowie durch die Begleitung zu Behörden und bei der Antragsstellung auf Hilfen unterstützt. Ihr ist es ein Anliegen, das Bewusstsein für eine interkulturelle Öffnung zu schärfen.

Wie wichtig und lebensnah das Thema ist, zeigte die angeregte Fragerunde der Teilnehmenden im Anschluss. „Es ging in diesem Fachforum um ein wechselseitiges besseres Verstehen. Ich denke, dieser Nachmittag hat dazu beigetragen.“, so Claudia Heinkel.

Das Fachforum „Islamische Perspektiven auf den Lebensanfang“ fand im Rahmen der  Veranstaltungsreihe „Inklusion: Gemeinsame Sache!“ des  Hospitalhofs Stuttgart statt. Die Pua-Fach- und Beratungsstelle zu Pränataldiagnostik und Reproduktionsmedizin im Diakonischen Werk Württemberg und das Evangelische Bildungszentrum im Hospitalhof Stuttgart werden auch künftig solche Fachforen für den interprofessionellen Austausch  anbieten. Die nächste Veranstaltung wird voraussichtlich im Frühjahr 2019  stattfinden.

Sammlung zum Karfreitag 2024

Diakonie und Evangelische Landeskirche in Württemberg rufen zu Spenden für „Hoffnung für Osteuropa“ am Karfreitag auf. Mit dieser Aktion unterstützen die Diakonie und Landeskirche in Württemberg die humanitäre Hilfen und Soziale Arbeit ihrer langjährigen Partner in insgesamt zehn Ländern.