„Platz für ASYL in Europa“ – Jeder Stuhl setzt ein Zeichen
Besuch einer Kunst-Aktion des Arbeitskreises Asyl
Ein schlichter Holzstuhl, ein Schirm, ein bisschen Pappmaché, ein wenig Farbe, dazu Motivation und Kreativität und es entsteht ein Kunstwerk. Ein Kunstwerk und ein Zeichen.
Die Sonne scheint durch Milchglasfenster in den Kellerraum des Asylpfarramts in Stuttgart, es riecht nach Kaffee und Kleister, Zeitungspapier liegt herum, im Hintergrund läuft Musik. Obwohl es ein schlichter Lagerraum ist, wirkt er einladend. Menschen plaudern, laufen geschäftig herum, es gibt Kaffee und Tee, jemand hat Kuchen mitgebracht. Alle sind gut gelaunt und motiviert. Auf einem langen Tisch in der Mitte des Raums stehen zehn Kunstwerke – oder besser das, was zu Kunstwerken werden soll. Noch sind es Holzstühle, an ihnen ist ein Schirm angebracht. Die Konstruktion ist teilweise in Pappmaché eingepackt und manche haben noch Figuren oder besondere Formen. Auch wenn das alles noch etwas unförmig aussieht, entstehen hier Symbole. Symbole für eine bessere Asylpolitik.
Zehn Teilnehmer basteln in diesem Lagerraum im Rahmen des „Arbeitskreis Asyl Stuttgart“ jeweils ihren persönlichen „Asyl-Stuhl“. Die Bastelaktion ist Teil der Kampagne „Platz für ASYL in Europa“ des Diakonischen Werks Württemberg. „Jeder Stuhl zeigt, wie groß das Engagement für Asyl in der Gesellschaft ist, und wie viele dazu bereit sind, Menschen, die vor Krieg, Verfolgung und Elend fliehen, aufzunehmen“ so Birgit Susanne Dinzinger, Abteilungsleiterin für Migration und Internationale Diakonie im Diakonischen Werk Württemberg. Am 15. Mai 2019 werden die „Asylstühle“ bei einer öffentlichen Veranstaltung auf dem Marktplatz in Stuttgart ausgestellt. Sie sind ein Symbol für die Aufnahmebereitschaft der Gesellschaft. Doch sollen sie nicht nur ein Zeichen für „Platz für ASYL in Europa“ setzen, sie sollen auch als Wahlaufruf zur Europawahl am 23. bis 26. Mai 2019 dienen. „Die Asylstühle sollen dazu auffordern, bei der Europawahl für eine vielfältige Gesellschaft zu stimmen. Wenn man die Asylpolitik ändern will, muss man auch wählen gehen!“, appelliert Anna Stano, Mitarbeiterin des Arbeitskreises Asyl und Leiterin der Bastelaktion.
Inzwischen haben die ersten begonnen, ihre Stuhl-Schirm-Pappmaché-Konstruktion mit Farbe zu bemalen und die Kunstwerke nehmen langsam Form an. Die Asylstühle sind so individuell und vielfältig wie die Bastelgruppe. Menschen mit und ohne Migrationshintergrund setzen in dieser Aktion ihre Emotionen und Einstellungen zu Asyl in ihr Aslystuhl-Kunstwerk um. Dafür bekommt jeder Teilnehmende einen Holzstuhl, einen Schirm und alle Bastelutensilien gestellt. Bei der kreativen Umsetzung hilft die Künstlerin Kirstin Kocagöz. „Der Schirm ist ein Symbol für Schutz und Sicherheit“, erklärt die Künstlerin ihr Konzept. Außerdem erkenne man durch die Schirme, dass diese zehn Asylstühle zusammengehören. In der Gestaltung sind die Teilnehmer frei. So entstehen ganz unterschiedliche und individuelle Kunstwerke. Dunkle Farben und gefängnisähnliche Konstruktionen symbolisieren auf manchen Stühlen das Elend in den Herkunftsregionen von Flüchtlingen und die Gefahren einer Flucht. Andere fokussieren den Schutz des Schirmes und das Positive der Sicherheit. Die Menschen mit Fluchterfahrung in der Bastelgruppe sind sich einig: Der Schirm steht für Schutz, der Schirm ist Europa.
Die Bastelgruppe zeigt im Kleinen die gelebte Vielfalt, die sich die Kampagne „Platz für ASYL in Europa“ für die Gesellschaft wünscht. Jeder Asylstuhl ist eine Stimme für die Vielfalt, für ein Europa, das Schutz bietet, für die Aufnahmebereitschaft. Jeder Stuhl setzt ein Zeichen!