04. März 2021 News

Dranbleiben an Langzeitarbeitslosen

Beim virtuellen Austausch „Diakonie trifft Politik: Dranbleiben an langzeitarbeitslosen Menschen“ vor der Landtagswahl brachte die Diakonie Politiker und Politikerinnen und zwei ehemals langzeitarbeitslose Frauen miteinander ins Gespräch.

Seit 40 Jahren setzt sich die Diakonie Württemberg für einen dauerhaft öffentlich geförderten Arbeitsmarkt ein. Bei der Veranstaltung, bei der über 50 Menschen teilnahmen,  erneuerte Oberkirchenrätin Dr. Annette Noller, Vorstandsvorsitzende des Diakonischen Werks Württemberg, diese Forderung.

Diakonische Träger unterstützen langzeitarbeitslose Menschen bei der Integration in den Arbeitsmarkt, sie brauchen aber dauerhafte Finanzierung – auch das eine alte Forderung. „Die Träger der Arbeitslosenhilfe kämpfen seit Jahrzenten mit unsicheren Finanzierungen und sind vom Wohlwollen der aktuellen (Finanz-)Politik abhängig“, so Noller weiter.

Es sei eine der Folgen der Finanz- und Wirtschaftskrise von 2009 gewesen, dass in den Folgejahren die Eingliederungsbudgets der Arbeitsagenturen und Jobcenter massiv gedeckelt und insbesondere die Beschäftigung schaffenden Maßnahmen um ca. 30 Prozent reduziert wurden. Parallel zu dieser Entwicklung habe sich die seit der Jahrtausendwende zunehmend eingeführte Ausschreibungspraxis für arbeitsmarktpolitische Dienstleistungen mehr und mehr zu Ungunsten von Trägern innerhalb der Diakonie entwickelt. Die inzwischen generalisierte Ausschreibungspraxis mache es tarifgebundenen Trägern immer schwerer, Beschäftigungs- und Qualifizierungsmaßnahmen zu kostendeckenden Bedingungen zu akquirieren. „Aber wir wollen in Kirche und Diakonie faire Löhne und Gehälter zahlen.“

Die Diakonie Württemberg habe sich dennoch mit Beharrlichkeit in der Arbeitsmarktpolitik eingebracht. Die Idee des Passiv-Aktiv-Transfers (PAT) wurde in Baden-Württemberg ab 2011 von der Landesregierung aufgegriffen, im Rahmen des neu konzipierten Landesarbeitsmarktprogramms zum Vorzeigemodell für die gesamte Republik entwickelt und mit dem Teilhabechancengesetz ab 2018 zum Regelinstrument des SGB II verallgemeinert. „Für dieses neue Instrument sind wir dankbar. Der Paragraf 16i SGB II mit dem PAT ist ein gutes Instrument, das erhalten bleiben muss! Er greift jedoch nicht für alle Langzeitarbeitslosen und ist wirtschaftlich nicht ausgereift. Wir sind noch nicht zufrieden, denn das Instrument muss dringend weiterentwickelt werden.“

Die Evangelische Landeskirche in Württemberg hat mit 2,4 Millionen Euro Beschäftigungs- und Teilhabegutscheine finanziert, um Menschen die Chance auf Arbeit zu geben. Über 500 Menschen haben davon profitiert, sagte Tanja Herbrik, Vorsitzende des Fachverbands Arbeitslosenhilfe der Diakonie Württemberg. Auch sie rief zu einer regelhaften Finanzierung von Strukturen und Trägern auf, die Menschen begleiten, die im zweiten Arbeitsmarktangekommen sind. „Ein ausschließlich freier Markt und die Ausschreibungspraxis der Bundesagentur für Arbeit führen zu einem Trägersterben.“

Wie wichtig Arbeit im Leben eines Menschen ist, berichteten Jessica Kunze und Luise Janke. Beide schilderten die lange Zeit der Arbeitslosigkeit als große Belastung für ihre Gesundheit, ihre Beziehung und ihr Selbstwertgefühl. Bei der Karlshöhe Ludwigsburg beziehungsweise der Neuen Arbeit Stuttgart arbeiten zu dürfen, schätzen sie als hohes Gut. Allerdings müssten sie bangen, ob ihre Maßnahme verlängert wird, zumal Luise Janke nur noch wenige Jahre vom Rentenalter entfernt ist.

Oberkirchenrätin Annette Noller bedauerte, dass in den arbeitsmarktpolitischen Passagen der Wahlprogramme keine Vorhaben für Arbeitslose, geschweige denn für Langzeitarbeitslosebeschrieben werden. Wenn die Familienangehörigen mit erfasst würden, wären über eine Million Menschen unmittelbar oder als Angehörige von Arbeitslosigkeit oder drohender Arbeitslosigkeit betroffen. „Sie könnten schon mal eine Wahl entscheiden.“ Und zum Schluss der Wunsch: „Wir wünschen uns von der Landespolitik weiterhin den Mut, gemeinwesenorientierte Beschäftigungsprojekte für Langzeitarbeitslose gemeinsam mit der Diakonie zu entwickeln.“

Teilgenommen von Seiten der Politik haben

  • Alexander Schoch, MdL, arbeitsmarktpolitischer Sprecher, Bündnis 90/Die Grünen- Landtagsfraktion BW
  • Fabian Gramling, MdL, arbeitsmarktpolitischer Sprecher, CDU-Landtagsfraktion BW
  • Rainer Hinderer, MdL, Vorsitzender Ausschuss für Soziales und Integration der SPD-Landtagsfraktion BW
  • Johanna Molitor, parlamentarische Beraterin der FDP/DVP-Landtagsfraktion BW und Landtagskandidatin Stuttgarter Wahlkreis I
  • Sahra Mirow, Landessprecherin und Spitzenkandidatin, DIE LINKE. LV BW

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