Wissen und Erfahrungen weitergeben

Im Rahmen der Beruflichen Bildung und Qualifizierung bietet die Diakonie Stetten regelmäßig Fortbildungen für Menschen mit Behinderungen an. Erstmals fand nun eine Fortbildung zum Thema Euthanasie-Verbrechen und zur Gedenkstätte Grafeneck statt. Die Inhalte und Erfahrungen der Fortbildung fasst die Gruppe zurzeit in einem Buch in einfacher Sprache zusammen.

Aufmerksam und interessiert sitzen die fünf Teilnehmenden mit Behinderungen zusammen und überlegen gemeinsam mit Christa Rommel, Referentin für Bildung und Qualifizierung, sowie Franka Rößner, Historikerin an der Gedenkstätte Grafeneck, wie sie ihre Erfahrungen aus der Fortbildung in einem Buch in einfacher Sprache festhalten können. Ihnen ist wichtig, dass auch andere Menschen mit Behinderungen von der Geschichte der Euthanasie-Verbrechen und den grausamen Ereignissen während des Zweiten Weltkrieges erfahren. „Wir wollen, dass auch andere Menschen mit Behinderungen einen Eindruck davon bekommen, was damals passiert ist. Wenn man sieht, dass sich andere Leute mit dem Thema beschäftigt haben, will man selbst vielleicht auch mehr erfahren“, erklärt Jürgen Paulus. Der Mann mit Behinderung beschäftigt sich bereits seit 2009 mit der Geschichte der Euthanasie-Verbrechen. In einem Ordner hat er über die Jahre Zeitungsartikel gesammelt, die über die Morde an Menschen mit Behinderungen während des Zweiten Weltkrieges berichteten. Die Zeitungsartikel hat er zur Fortbildung mitgebracht und anschaulich auf große Plakate geklebt.

Die Idee, eine Fortbildung über die Euthanasie-Verbrechen und die Gedenkstätte Grafeneck zu machen, stieß Achim Berroth in Absprache mit Christa Rommel an. Gemeinsam mit seinen Eltern besuchte der Mann mit Behinderung die Gedenkstätte Auschwitz in Polen.  Er wollte das, was er dort erfahren hatte, auch anderen Menschen mit Behinderungen zugänglich machen. „Es haben sich gleich 13 Menschen mit Behinderungen für die Fortbildung angemeldet. Darunter auch Bewohner, die sonst eher zurückhaltend sind. Das hat uns sehr gefreut“, erzählt Christa Rommel. Bislang sei das Thema in den Fortbildungen noch nicht aufgegriffen worden, da man nicht wusste, wie die komplexen und anspruchsvollen Inhalte in einfacher Sprache vermittelt werden könnten. In Zusammenarbeit mit der theologischen Abteilung der Diakonie Stetten und Franka Rößner von der Gedenkstätte Grafeneck, gestaltete sich das Vorhaben als besonders erfolgreich heraus.

„In Vorbereitung auf das Thema und den Besuch in Grafeneck habe ich einen Vortrag über meinen Besuch in der Gedenkstätte Auschwitz gehalten“, erzählt Achim Berroth stolz. Im Juni reiste die Gruppe dann auf die Schwäbische Alb und besichtigte die Gedenkstätte Grafeneck. „Ich habe selten eine so interessierte und gut vorbereitete Gruppe erlebt“, sagt Franka Rößner. Gemeinsam mit ihrem Kollegen baut die Historikerin seit 2014 eine barrierefreie Gedenkstätte in einfacher Sprache auf, damit auch Menschen mit Behinderungen ein Zugang zum Thema ermöglicht wird. „Menschen mit Behinderungen können Geschichte und Zeit oft nicht so gut einschätzen. Daher haben wir gemeinsam mit einem Sonderpädagogen ein Konzept entwickelt. Wir arbeiten viel mit Bildern und machen Führungen in einfacher Sprache“, erklärt Franka Rößner. Für die Teilnehmenden aus Stetten war der Besuch in der Gedenkstätte eine bereichernde Erfahrung. „Es war unglaublich erstaunlich, wie viel Wissen bei den Teilnehmenden bereits vorhanden war und wie gut sie vorbereitet waren. Das hat viel zum Selbstbewusstsein beigetragen, da sie viele Fragen beantworten und selbst mitdiskutieren konnten“, weiß Christa Rommel. Aktuell arbeitet die Gruppe an einem Buch, das mit eigenen Texten besprochen werden soll und beim Umblättern die Aufnahme abspielt. Die dazugehörigen Seiten werden mit Fotos gestaltet. Die Teilnehmenden haben sich jeweils einen Themenbereich ausgesucht, für dessen Gestaltung mit Fotos und Unterschriften sie im Buch verantwortlich sind.

Für Christa Rommel war die Fortbildung zu diesem Thema eine neue Erfahrung: „Wir haben gemerkt, dass wir mehr Fortbildungen auf höherem Niveau anbieten müssen, denn das Interesse ist da“. So soll es im Frühjahr eine weitere Fortbildung für Menschen mit Behinderungen zum Thema Euthanasie-Verbrechen geben.




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