10. August 2018 News

„Wir wollen Leben fördern“

„Wenn Kinder und Jugendliche schwer erkranken, dann denken sie nicht immer nur an den Tod. Sie möchten auch fröhlich sein, spielen, lachen und in ihren Möglichkeiten Glück erleben“, sagt Elisabeth Kunze-Wünsch, die Leiterin des Kinder- und Jugendhospizes in Stuttgart. Das sei für manche im schweren Alltag nicht möglich. „Sie brauchen einen Ort zum Kraft tanken und zum Atem holen. Und das ist das Kinderhospiz.“

Am Freitag, 10. August, haben Landesbischof Frank Otfried July und die Präsidentin der Landessynode, Inge Schneider, das Kinder- und Jugendhospiz in der Stuttgarter Diemershaldenstraße besucht und symbolisch einen Scheck in Höhe von 900.000 Euro überreicht. „Wir wollen Leben fördern – ein steiler Satz für einen Ort, an dem wir die Grenzen des Lebens erfahren und erleiden. Dennoch sagen wir vom christlichen Glauben getragen: Hier sind wahrhaftige Lebensräume. Räume der Begegnung und Erfahrung sowie des Aufeinanderhörens und Miteinandersehens. Kinder und ihre Eltern sollen bei aller Herausforderung dieses Haus als einen Ort der Unbefangenheit erleben“, so July. „Als Mutter eines Kindes, das jahrelang mit dem Tod gekämpft hat, weiß ich, was Familien in dieser Situation mitmachen und wie nötig sie jede Unterstützung brauchen“, sagte Schneider. Sie nennt das Kinder- und Jugendhospiz  eine „absolut notwendige Einrichtung“. Bei der vergangenen Frühjahrstagung der Landessynode wurde der Investitionszuschuss genehmigt.

Einziges stationäres Kinder- und Jugendhospiz im Land

Es ist das einzige stationäre Kinder- und Jugendhospiz in Baden-Württemberg. Rund 3.000 Kinder leiden im Land an einer lebensbegrenzenden Erkrankung. Davon sterben etwa 350 pro Jahr. Im  Großraum Stuttgart leben etwa 750 Kinder und Jugendliche mit einer lebensbegrenzenden Krankheit. Von ihnen sterben jährlich etwa 85 daran.

„Als Kinderhospiz unterscheiden wir uns deutlich von einem Erwachsenenhospiz. Schon dadurch, dass wir eine ganz besondere Patientengruppe haben, die von Frühgeborenen bis zu jungen Erwachsenen im Alter von 27 Jahren reicht. Die wollen wir entsprechend ihrer Entwicklung, ihres Krankheitsbildes und ihrer körperlichen Möglichkeiten begleiten,“ sagt die stellvertretenden Pflegedienstleiterin Beate Barthel. Dazu brauche es eine ganz breit gefächerte Ausstattung und Möblierung und entsprechendes Spielzeug. Auch das Personal ist anders zusammengesetzt. Drei Viertel der Pflegekräfte kommen aus der Kinderkrankenpflege, nur ein Viertel aus der Erwachsenenkrankenpflege.

Die ganze Familie im Blick

Zudem begleite das Hospiz die ganze Familie. „Die Eltern sollen sich mit den Kindern erholen und entspannen können. Sie sind ohnehin in eine Situation geworfen, auf die sich nicht vorbereitet waren und sind häufig am Limit ihrer Kräfte.“ Für die Arbeit mit den Geschwistern gebe es eine eigene Stelle und Angebote, bei denen sie sich öffnen und auch mal im Mittelpunkt stehen können, was zuhause oftmals nicht möglich sei. „Und die Kinder sterben meist zuhause. Das ist im Erwachsenenhospiz  anders“, so Barthel.

Seit der Eröffnung im Dezember vergangenen Jahres sind mehr als 120 Familien im Kinder- und Jugendhospiz untergekommen. „Wir sind froh, dass das Haus ausgelastet ist und wir die Stellen so qualifiziert besetzen konnten“, betont Prälat i. R. Martin Klumpp, der Initiator des Stuttgarter Hospizes wie auch des Kinder- und Jugendhospizes. Das sei angesichts dessen, was sich auf dem Pflegemarkt derzeit abspiele, fast ein Wunder. Klumpp äußerte sich dankbar gegenüber den Krankenkassen, mit denen Pflegesätze vereinbart werden konnten, wie auch gegenüber der Landeskirche für den Investitionskostenzuschuss. Dennoch seien beide Hospize weiterhin auf große und kleine Spenden angewiesen. „Ein Kinderhospiz braucht – und das ist bundesweit vergleichbar – einen jährlichen Zuschuss von 700.000 Euro, das Hospiz für Erwachsene habe einen Zuschussbedarf von jährlich 400.000 Euro. Das heißt, wir sind pro Jahr auf Spenden in Höhe von 1,2 Millionen angewiesen“, so Klumpp.

Hoher Spendenbedarf

Der Bedarf lässt sich begründen. „Wir sind kein Sterbehaus, sondern wollen zum Leben ermutigen und Leben fördern“, so Klumpp weiter. Die tatsächlichen Kosten lägen so weit über den Pflegesätzen,  weil lebensbegrenzt erkrankte Kinder rund um die Uhr einen sehr hohen Aufwand brauchen und das Haus viele Therapieformen anbiete wie etwa Musiktherapie, Maltherapie oder Bewegungstherapie. Hinzu komme, dass mit den schweren Krankheiten, mit denen die Kinder und Jugendliche ins Hospiz kommen, nicht nur medizinische Kosten verbunden seien. Die Familien litten in der Regel finanzielle Not. Häufig gebe ein Elternteil wegen der Krankheit des Kindes seine Erwerbsarbeit auf und damit einen Teil des Familieneinkommens. Zudem belaste die Krankheit Eltern und Geschwister sehr und könne Ehen gefährden. „Deshalb begleiten wir die ganze Familie. Häufig können die Eltern bei uns nach Jahren das erste Mal wieder durchschlafen.“ Sie können wahlweise im Zimmer bei ihrem Kind übernachten oder eines der drei Familienappartements nutzen. Eltern und Geschwister sollten auch mal die Möglichkeit haben, abzuschalten, ins Kino zu gehen, auszuspannen oder durch den Austausch mit anderen Familien Hilfestellungen für ihren belastenden Alltag zu finden.   

„Das stationäre Kinderhospiz schließt eine schmerzhafte Lücke im Raum Stuttgart und man bräuchte davon im Land noch etliche mehr“, betont Eva-Maria Armbruster, Vorstand Sozialpolitik im Diakonischen Werk Württemberg. Ein lebensbegrenzend erkranktes Kind zu haben, bringe Familien immer an die Grenze der Belastbarkeit. „Das Kinderhospiz stärkt die Kinder, ihre Eltern, Geschwister und ihre Familien. Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Hospiz halten mit ihnen durch und halten mit ihnen aus, was immer auch auf sie zukommt: ein wichtiger diakonischer Beitrag zur Unterstützung in schwierigen Lebenssituationen“, so Armbruster.

Hospiz für Kinder, Jugendliche und Erwachsene

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