Sichtbar an der Seite der Flüchtlingshelfer
Immense Vor-Ort-Resonanz auf die multinationale Expertenreise
Informationen nicht einfach lesen oder berichtet bekommen, sondern hautnah erleben, sehen, hören, schmecken: Das war die Hoffnung für Osteuropa-Begegnungsreise 2018 für Expertinnen und Experten aus der kirchlich-diakonischen Flüchtlingsarbeit zwischen Hamburg und Bayern, aus Griechenland, Serbien, Rumänien, Ungarn und Polen. Wenn es nach dem Willen der mehr als 30 Gruppenteilnehmerinnen und -teilnehmerinnen geht, wird es solche Reisen häufiger geben. Vielleicht sogar noch intensiver auf ein Spezialthema und eine Region konzentriert. Das jedenfalls war der Wunsch beim Bilanzgespräch.
„Mit dem Strom – gegen den Strom“
„Mit dem Strom – gegen den Strom“ hieß es von Montag bis Freitag bei den Besuchen und Gesprächen in Flüchtlingsprojekten vor Ort in Ungarn, Serbien und Rumänien. Gleich zum Auftakt ließ der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Ungarn, Dr. Tamás Fabiny, im Kirchenamt in Budapest keinen Zweifel an der Notwendigkeit des europäischen Fachaustauschs über die rein sachliche Ebene hinaus: „Wir brauchen dringend Hoffnung“, sagte er. Es gehe darum, zu beten und aktiv zu werden für die Würde all der Menschen, die sie zu verlieren drohen.
Wie schwierig derzeit in der Region der Einsatz für Flüchtlinge ist, berichteten mit Vertreterinnen und Vertreter verschiedenster staatlicher und nicht-staatlicher Organisationen und Einrichtungen in Ungarn, Serbien und Rumänien. So schickte das ungarische Innenministerium die Flüchtlingsbeauftragte Katalin Miklos. Sie berichtete, wie sich in den vergangenen zwei Jahren die Starthilfe für Flüchtlinge verändert hat. Der einst bestehende „Integrationskontrakt“, den Flüchtlinge unterzeichnen konnten, ist Geschichte. Die Orban-Regierung hat Geflüchtete zum unerwünschten Phänomen erklärt, wurde in zahlreichen weiteren Gesprächsbeiträgen klar. Und wer sich gegen die von der Regierung vertretene Linie versucht mit Fakten aufzulehnen, kommt leicht in Gefahr, eine Vorladung ins Innenministerium oder anderweitig Druck zubekommen, ließ nicht nur der unabhängige Internet-Journalist Andras Földes, sondern später auch Gemeindepfarrer auf dem Land durchblicken.Nichtsdestotrotz sind Menschen in Ungarn, in Serbien und Rumänien für Flüchtlinge aktiv. Sie unterstützen sie mit Nothilfe wie Kleidung und Essen von Anfang an, und sie mieten für sie Wohnungen an, wenn sie als Asylbewerber anerkannt sind oder einen Schutzstatus bekommen. Sie organisieren Sprachunterricht und kulturelle Veranstaltungen.
AIDRom – Zentrum für Migrationsberatung und Flüchtlingsaufnahme
Im ökumenisch-diakonischen AIDRom-Zentrum für Migrationsberatung und Flüchtlingsaufnahme im rumänischen Timisoara erlebt die Gruppe live mit, wie Menschen aus vielen Nationen gemeinsam singen, tanzen, essen und für ein paar Stunden feiern, dass das Leben auch schöne Seiten hat, neben aller Ungewissheit, neben allem Heimweh nach der Familie, neben allem, was die Menschen aus der Zeit vor und während ihrer Flucht unsichtbar mit sich tragen. An diesem Spätnachmittag singen und tanzen die Flüchtlingsexperten einfach mit, ohne zu überhören, was AIDRom-Chefin Elena Timofticiuc kurz zuvor beklagt hatte: Dass nämlich die fünf an AIDRom beteiligten Kirchen, insbesondre die orthodoxe, sich bisher nicht durchringen konnten, die satzungsgemäß festgelegte finanzielle Unterstützung für ihr gemeinsames Vorzeigeprojekt tatsächlich zu bezahlen. Wohl finanzieren sich die Aktionen immer irgendwie über Spender, „die ich mittlerweile nicht einmal mehr groß bitten muss“, und aus - mit engen Vorgaben verbundenen - EU-Fördermitteln. Doch AIDRom wär froh, für die sich ständig wandelnden Notlagen endlich flexible Hilfsgelder zur Verfügung zu haben.
Dass unabhängig von einer reservierten Haltung von Regierungen - und zahlreichen Aussagen zufolge auch weiten Teilen der Bevölkerung - gegenüber Flüchtlingen in allen drei besuchten Ländern eine Koalition der Engagierten besteht, wurde deutlich in der Gesprächsbereitschaft, auf die die Begegnungsreise-Mitglieder trafen. In Budapest waren neben dem Innenministerium unter anderem UNHCR, das Helsinki-Komitee, nichtstaatliche Hilfsorganisationen, Lutherische und Reformierte Kirche und auch der Jesuiten-Flüchtlingsdienst Gesprächspartner. In Serbien öffnete die Organisation EHO die Türen in ein grenznahes Transit-Lager, in dem nicht nur die Bewohner, sondern auch die staatlichen Mitarbeiter intensiv mit den Gästen diskutierten. In Timisoara kamen zu einem Informationsgespräch mit den „Mit dem Strom – gegen den Strom“-Reisenden zur völligen Überraschung von Gastgeberin Elena Timofticiuc gleich mehrere Dutzend Experten aus der Region, vom Vizelandrat über die Stadtverwaltung, Gericht und Arbeitsamt, Grenzpolizei, Hilfsorganisationen und UNHCR bis zum Direktor der Nationalen Agentur gegen Menschenhandel des Innenministeriums Rumänien und dem deutschen Konsul. „Sie haben sich gegenseitig eingeladen“, staunte die Organisatorin. Diese immense Resonanz, die die Expertenreise von Hoffnung für Osteuropa vor Ort fand, gab der Idee Schub, künftig den offenbar vielfach gewünschten Erfahrungsaustausch von Angesicht zu Angesicht zu intensivieren.