28. Juli 2016 Pressemitteilung

Arbeitsmarktentwicklung geht an den Arbeitslosen vorbei

  • Zahl der Beschäftigten gegenüber Vorjahr um 103.400 gestiegen, Arbeitslosigkeit um nur 988  Personen gesunken 
  • Im Juli beendeten 58.427 Personen ihre Arbeitslosigkeit. Nur 18.344 von ihnen gingen in eine Erwerbstätigkeit über
  • Für die Verwaltung der Arbeitslosigkeit wird inzwischen mehr als doppelt so viel ausgegeben wie für Unterstützung und Eingliederungsmaßnahmen

Die Diakonie Württemberg zur Meldung der Agentur für Arbeit zu den Arbeitslosenzahlen im Juli 2016

Stuttgart, 28. Juli 2016. Heute hat die Agentur für Arbeit die aktuellen Arbeitslosenzahlen bekannt gegeben und die positive Arbeitslosenquote gegenüber anderen Bundesländern unterstrichen. Wir lenken den Blick auf Zahlen, die die Probleme des Arbeitsmarkts in Baden-Württemberg zeigen: 

Die Arbeitslosenquote ist gegenüber dem Juli 2015 fast gleich hoch geblieben. Die Schwankungen werden immer kleiner. Der Abbau der Arbeitslosigkeit kommt nicht voran. Der seit Monaten deutliche Anstieg der Beschäftigtenzahlen wirkt sich nicht mehr auf die Anzahl der Arbeitslosen aus. Eine positive Arbeitsmarktentwicklung lässt sich fast nur bei den Kurzzeitarbeitslosen feststellen, während bei den Langzeitarbeitslosen kaum noch positive Veränderungen zu erkennen sind. Im Rechtskreis des SGB II (Langzeitarbeitslose) ist die Arbeitslosigkeit gegenüber dem Vorjahresmonat um 355 Personen gestiegen, während sie im Rechtskreis des SGB III (Kurzzeitarbeitslose) um 1.343 gesunken ist. Hier zeigt sich das zusätzliche Problem, dass ca. 25 Prozent derjenigen, die sich aus einer sozial-versicherungspflichtigen Arbeit arbeitslos melden müssen, nicht mehr in der Lage sind, sich Ansprüche auf Arbeitslosengeld I zu erwerben, weil ihre Stellen befristet und ihre Beschäftigungszeit zu kurz gewesen ist.

Der Anteil der Hartz-IV-Empfänger an den Arbeitslosen beträgt 58,5 Prozent. Die absolute Zahl ist gegenüber dem Vormonat zwar um 1.227 Personen gesunken; insgesamt jedoch bewegt sie sich sehr viel weniger als die Gesamtarbeitslosigkeit und die Beschäftigtenzahlen. 

Vor allem zeigt sich die Verfestigung der Langzeitarbeitslosigkeit an der durchschnittlichen Dauer der Arbeitslosigkeit für Langzeitarbeitslose, die im SGB-II-Bereich (Hartz IV) jetzt bei 570 Tagen liegt und sich kaum verbessert. Die Gesamtzahl der Menschen, die von Hartz-IV-Leistungen leben, das sind die Arbeitslosen im Rechtskreis SGB II und ihre Angehörigen, ist im Jahresverlauf um 10.343 auf 438.176 Menschen gestiegen.

  • Die Gesamtzahl der Beschäftigten ist gegenüber dem Vorjahr um 103.400 (erneut plus 2,4 Prozent) auf 4.453.200 gestiegen. Dass gleichzeitig die Arbeitslosigkeit um nur 988 (minus 0,4 Prozent) Personen gesunken ist, zeigt, dass die Arbeitsmarktentwicklung an den Arbeitslosen vorbei geht. 
  • Betroffen von Langzeitarbeitslosigkeit sind vor allem Arbeitslosengeld-II-Bezieher. Sie sind an der Arbeitslosigkeit mit 58,5 Prozent, an der Langzeitarbeitslosigkeit aber mit 84,6 Prozent beteiligt.
  • Die durchschnittliche Dauer der Arbeitslosigkeit beträgt für SGB-II-Arbeitslose 570 Tage – zwei Tage weniger als im Vormonat und fünf Tage weniger gegenüber dem Vorjahresmonat. Demgegenüber beträgt die Dauer der Arbeitslosigkeit im SGB III nur durchschnittlich 176 Tage und ist gegenüber dem Vorjahresmonat sogar um 14 Tage gesunken.
  • Der Bericht der Arbeitsagentur weist aus, dass zwar im Juli 58.427 Personen ihre Arbeitslosigkeit beendeten, aber nur 18.344 Personen aus der Arbeitslosigkeit in eine Erwerbstätigkeit übergehen konnten.
  • Nur 18,1 Prozent derjenigen, die aus dem SGB II heraus ihre Arbeitslosigkeit beendeten, konnten auch eine Erwerbstätigkeit beginnen; von den SGB-III-Empfängern, die aus der Arbeitslosigkeit abgingen, waren das immerhin 44,6 Prozent.
  • Der Bestand an offenen Stellen beträgt 96.213, womit auf jede gemeldete offene Stelle immer noch ungefähr 2,3 Arbeitslose kommen.
  • Die Zahl der Beschäftigung schaffenden Maßnahmen hat sich gegenüber dem Vormonat leicht um 76 Plätze erhöht, gegenüber dem Vorjahresmonat ist sie aber erneut um 767 auf jetzt nur noch 4.357 Plätze reduziert worden. 

Die positive wirtschaftliche Entwicklung muss jetzt genutzt werden, um diesen Menschen durch eine qualifizierte öffentlich geförderte Beschäftigung die Teilhabe an Arbeit zu ermöglichen und eine Brücke in den ersten Arbeitsmarkt zu schaffen. 

Tatsächlich werden die Mittel zur Eingliederung von Arbeitslosen aber in den letzten Jahren zunehmend reduziert bzw. zunehmend für die Verwaltungskosten eingesetzt. Bundesweit wurden 2015 von den Jobcentern mehr als 1.100 Euro pro Person für die Verwaltung der Arbeitslosen eingesetzt, in Baden-Württemberg maximal 1.432 Euro in Schwäbisch-Hall und minimal 1.112 Euro im Rems-Murr-Kreis, während sich die Mittel für Eingliederungsmaßnahmen zwischen 273 Euro pro Person im Alb-Donau-Kreis und 541 Euro pro Person in Karlsruhe bewegen. Für die Verwaltung der Arbeitslosigkeit wird also inzwischen mehr als doppelt so viel ausgegeben wie für Unterstützung und Eingliederungsmaßnahmen.

Fachwissenschaftler weisen darauf hin, dass das Leitbild des Forderns und der aktivierenden Arbeitsmarktpolitik gegen das einer befähigenden Arbeitsmarktpolitik getauscht werden muss, die nicht an den Defiziten und Vermittlungshemmnissen, sondern an der Lebenssituation und den Fähigkeiten der Menschen ansetzt, die auf Teilhabe an Arbeit und an der Gesellschaft ausgerichtet ist. Es zeigt sich immer deutlicher, dass Langzeitarbeitslose und ihre Familien ohne öffentlich geförderte Beschäftigung keine Chance mehr zur Teilhabe und zur Integration in Arbeit bekommen. Die Diakonie fordert dies seit langem und hat mit dem Passiv-Aktiv-Transfers ein realistisches Finanzierungskonzept vorgelegt, während die Bundesregierung trotz positiver wirtschaftlicher Rahmenbedingungen die Möglichkeit zu Handeln verpasst.

Mehr Informationen:
http://www.initiative-pro-arbeit.de/   
http://www.o-ton-arbeitsmarkt.de/   

Das Diakonische Werk Württemberg
Das Diakonische Werk Württemberg mit Sitz in Stuttgart ist ein selbstständiges Werk und der soziale Dienst der Evangelischen Landeskirche und der Freikirchen. Auf der Grundlage des christlichen Menschenbildes unterstützt der Wohlfahrtsverband im Auftrag des Staates hilfebedürftige Menschen. Das griechische Wort „Diakonia“ bedeutet „Dienst“. Die Diakonie in Württemberg ist ein Dachverband für 1.200 Einrichtungen mit 40.000 hauptamtlichen und 35.000 ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Sie begleiten Kinder, Jugendliche und Familien, Menschen mit Behinderungen, alte und pflegebedürftige Menschen, Arbeitslose, Wohnungslose, Überschuldete und andere Arme, Suchtkranke, Migranten und Flüchtlinge sowie Mädchen und Frauen in Not. Täglich erreicht die württembergische Diakonie über 200.000 Menschen. Das Diakonische Werk Württemberg ist ebenfalls Landesstelle der Internationalen Diakonie, Brot für die Welt, Diakonie Katastrophenhilfe und Hoffnung für Osteuropa.


Sammlung zum Karfreitag 2024

Diakonie und Evangelische Landeskirche in Württemberg rufen zu Spenden für „Hoffnung für Osteuropa“ am Karfreitag auf. Mit dieser Aktion unterstützen die Diakonie und Landeskirche in Württemberg die humanitäre Hilfen und Soziale Arbeit ihrer langjährigen Partner in insgesamt zehn Ländern.